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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
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Beweise, die Ashberry zu bieten hatte, es gab auch so schon zu viele Ungereimthei-ten, ohne die Wirklichkeit weiter in Frage zu stellen. Die Behörden gaben den Priester mit Freuden in Eigermans Gewahrsam. Die allgemeine Meinung war, daß sie einander verdiente. Kein bißchen Vernunft zwischen den beiden.
    Ashberry war vollkommen von Eigerman abhängig: Er war zumindest anfangs außerstande, ohne Hilfe zu essen, zu scheißen oder sich zu waschen. So ekelhaft es war, den Irren zu versorgen, Eigerman wußte, er war eine Gnade Gottes. Durch ihn konnte er die Demütigungen der letzten Stunde in Midian vielleicht doch noch rächen. In Ashberrys Gestammel fanden sich Hinweise auf die Auf-enthaltsorte des Gegners. Mit der Zeit würde Eigerman sie entschlüsseln.
    Und wenn ihm das gelungen war – oh, wenn ihm das gelungen war – würde ein Tag der Vergeltung kommen, gegen den das Jüngste Gericht harmlos wirken würde.
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    Die Besucher kamen verstohlen in der Nacht und suchten Unterschlupf, wo immer sie ihn finden konnten.
    Einige besuchten Orte, die ihre Vorfahren mit Vorliebe besucht hatten; Städte unter freiem Himmel, wo die Gläu-276

    bigen sonntags noch sangen und die Lattenzäune jedes Frühjahr gestrichen wurden. Andere gingen in die Städte: nach Toronto, Washington, Chicago, weil sie hofften, auf den dichtgedrängten Straßen unentdeckt zu bleiben, wo die Korruption von gestern das Geschäft von heute war.
    An solchen Orten bemerkte man ihre Anwesenheit vielleicht ein Jahr, oder zwei, oder drei, nicht. Aber nicht ewig. Ob sie sich in den Schluchten der Städte, in Sümpfen oder Wüsten niedergelassen hatten, keiner tat so, als wäre es eine ewige Bleibe. Mit der Zeit würde man sie entdecken und ausrotten. Neue Greueltaten standen bevor, besonders seitens ihrer alten Feinde, der Christen, die täglich dasselbe Schauspiel boten, von ihrem Märtyrer sprachen und in seinem Namen Läuterung verlangten.
    Wenn sie die Brut in ihrer Mitte entdeckten, würden die Verfolgungen von neuem anfangen.
    Daher war Verstohlenheit das Zauberwort. Sie würden nur dann Fleisch zu sich nehmen, wenn der Hunger überwältigend würde, und nur das von Opfern, die keiner vermissen würde. Sie würden keine anderen anstek-ken, um nicht auf ihre Existenz hinzuweisen. Würde einer gefunden, würde kein anderer das Risiko einer Entdek-kung eingehen und ihm zu Hilfe eilen. Es waren schlimme Gesetze, nach denen sie leben mußten, aber längst nicht so schlimm, wie es sein würde, sie zu brechen.
    Der Rest war Geduld, und daran waren sie alle ge-wöhnt. Ihr Befreier würde eines Tages erscheinen, wenn sie nur so lange durchhalten könnten. Wenige hatten eine Vorstellung, in welcher Gestalt er erscheinen würde. Aber alle kannten seinen Namen.
    Cabal, wurde er genannt. Der Midian zerstört hatte.
    Sie sprachen in ihren Gebeten von ihm. Laß ihn mit dem nächsten Wind kommen. Wenn heute nicht, dann morgen.
    Sie hätten vielleicht nicht so inbrünstig gebetet, hätten 277

    sie gewußt, welche gewaltigen Veränderungen sein Erscheinen mit sich bringen würde. Sie hätten vielleicht überhaupt nicht gebetet, hätten sie gewußt, daß sie zu sich selbst beteten. Doch das waren Offenbarungen für künftige Zeiten. Vorerst hatten sie naheliegendere Sorgen. Sie mußten die Kinder in der Nacht von den Dächern fernhalten; mußten die Trauernden daran hindern, zu laut zu klagen; und die Jungen im Sommer, sich in die Lebenden zu verlieben. So war das Leben.

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