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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
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wäre ich noch nicht dort? Glaubst du, dann wäre es nicht die größte Stadt der Welt? Natürlich werden Leute abgewiesen...«
    Die tränenglitzernden Augen des Mannes waren auf Boone gerichtet. Ist ihm klar, daß ich nichts weiß? fragte sich Boone. Es schien nicht so. Der Mann redete weiter, er war damit zufrieden, das Geheimnis zu teilen. Oder genauer, seine Angst davor.
    »Ich gehe nicht, weil ich vielleicht nicht würdig bin«, sagte er. »Und das verzeihen sie nicht leicht. Sie verzeihen überhaupt nicht. Du weißt, was sie ... mit denen machen, die nicht würdig sind?«
    Boone interessierte sich weniger für Midians Rituale des Übergangs als vielmehr für die Gewißheit des Mannes, daß es überhaupt existierte. Er sprach von Midian nicht wie vom Shangri-La eines Wahnsinnigen, sondern wie von einem Ort, den man erreichen und betreten und seinen Frieden damit schließen konnte.
    »Weißt du, wie man dorthin gelangt?« fragte er.
    Der Mann sah weg. Als er den Blickkontakt unterbrach, stieg eine Woge der Panik in Boone empor: Er fürchtete, der Dreckskerl würde den Rest seiner Geschichte für sich behalten.
    »Ich muß es wissen«, sagte Boone.
    Der andere Mann sah wieder auf.
    »Das sehe ich«, sagte er, und ein Tonfall seiner Stimme verriet, daß er das Schauspiel von Boones Verzweiflung unterhaltsam fand.
    »Es liegt nordwestlich von Athabasca«, antwortete der Mann.
    »Ja?«
    »Das habe ich gehört.«
    »Dort ist freies Land«, antwortete Boone. »Man könnte ewig herumirren, wenn man keine Karte hat.«

    33

    »Midian ist auf keiner Karte«, sagte der Mann. »Suchen Sie östlich von Peace River; in der Nähe von Shere Neck; nördlich von Dwyer.«
    Seine Aufzählung von Richtungen enthielt keinerlei Zweifel. Er glaubte ebensosehr, vielleicht mehr, an die Existenz Midians wie an die Wände, die ihn umgaben.
    »Wie heißt du?« fragte Boone.
    Die Frage schien ihn zu verwirren. Es war lange her, daß sich jemand die Mühe gemacht hatte, nach seinem Namen zu fragen.
    »Narcisse«, sagte er schließlich. »Und du?«
    »Aaron Boone. Aber niemand nennt mich je Aaron.
    Nur Boone.«
    »Aaron«, sagte der andere. »Wo hast du von Midian gehört?«
    »Wo du auch davon gehört hast«, sagte Boone. »Wo jeder davon hört. Von anderen Menschen, die Schmerzen litten.«
    »Monster«, sagte Narcisse.
    Boone hatte sie nie als solche betrachtet, aber vielleicht waren sie es für objektive Augen; die Schwätzer und Weiner, die nicht imstande waren, ihre Alpträume hinter Schloß und Riegel zu halten.
    »Sie sind die einzigen, die in Midian willkommen sind«, erklärte Narcisse. »Wenn man keine Bestie ist, ist man ein Opfer. Das stimmt, oder nicht? Man kann nur das eine oder das andere sein. Darum wage ich nicht, ohne Begleitung hinzugehen. Ich warte darauf, daß Freunde mich holen kommen.«
    »Die bereits dort sind?«
    »Ganz recht«, sagte Narcisse. »Manche leben. Andere sind gestorben und danach gegangen.«
    Boone war nicht sicher, ob er die Geschichte richtig verstanden hatte.

    34

    » Danach gegangen?« sagte er.
    »Hast du nichts gegen die Schmerzen, Mann?« sagte Narcisse, und sein Tonfall schlug wieder um, diesmal ins Jämmerliche.
    »Ich habe ein paar Tabletten«, sagte Boone, dem die Reste von Deckers Vorräten einfielen. »Möchtest du davon?«
    »Was du hast.«
    Boone war froh, daß er sie los hatte. Sie hatten seinen Verstand in Ketten geschlagen, bis es ihm einerlei gewesen war, ob er lebte, oder starb. Jetzt nicht mehr. Jetzt hatte er ein Ziel vor Augen, wo er endlich jemanden finden mochte, der das Grauen verstand, das er durch-machte. Er würde die Tabletten nicht brauchen, um nach Midian zu gehen. Er brauchte Kraft und den Willen, Vergebung zu erlangen. Letzteres hatte er. Ersteres würde sein verletzter Körper finden müssen.
    »Wo sind sie?« fragte Narcisse, dessen Züge der Appetit entzündete.
    Nach der Aufnahme war Boones Lederjacke von seinem Rücken geschält worden, um die Verletzungen, die er sich selbst zugefügt hatte, flüchtig zu untersuchen. Sie hing über der Lehne seines Stuhls, eine zweimal abge-streifte Haut. Er griff mit der Hand in die Innentasche, stellte aber zu seinem Erschrecken fest, daß die vertraute Flasche nicht da war.
    »Jemand ist an meiner Jacke gewesen.«
    Er wühlte die anderen Taschen durch. Alle waren leer.
    Loris Brief, seine Brieftasche, die Tabletten: Alles war fort.
    Er brauchte nur Sekunden, bis ihm klar wurde, warum sie Beweise wollten, wer er war, und was für

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