Cadence Jones ermittelt - Davidson, M: Cadence Jones ermittelt
False Flag Ops: also die Abteilung für Operationen unter falscher Flagge.
Nachdem ich geparkt hatte, nahm ich den Fahrstuhl in die richtige Etage, steckte meine Schlüsselkarte in den Schlitz, wartete noch auf den Netzhaut-Scan, und dann huschte ich hinein. Fünf Minuten zu früh! Der Sieg war mein.
Wie immer wurde ich von Opus, dem Hausmeister, begrüßt.
»Hi … Cadence.«
»Hi, großer Mann. Ruhige Nacht gehabt?«
Opus bedachte meine Frage gründlich, ehe er eine Antwort gab. »Ja.« Opus begriff den Sinn von Smalltalk nicht. Er war ein Mensch mit Inselbegabung (sagen Sie nie, aber auch wirklich niemals »Idiot Savant«, das ist nämlich dermaßen zwanzigstes Jahrhundert!), der zwar mit Zahlen unglaubliche Kunststücke vollbringen konnte, aber nicht fähig war, eine normale Einkaufsliste zu verfassen. Er war groß und bärenhaft, hatte struppiges braunes Haar, buschige Augenbrauen, schlammfarbene Augen und mächtige Unterarme. In seiner braunen zweiteiligen Uniform sah er einem Grizzly gar nicht unähnlich. Allerdings einem Grizzly mit Wischmopp auf dem Kopf.
Ich muss zugeben, ich hatte eine Schwäche für diesen Mann. Ich hatte ihn schon einige Male vor meinen weniger sensiblen Kollegen verteidigen müssen, die ihn vorzugsweise Rain Man titulierten.
Es war schon fast komisch, dass Leute, die für BOFFO arbeiteten, den Nerv hatten, einen ebenfalls für BOFFO arbeitenden Menschen zu beleidigen. Schließlich hatten wir doch alle den einen oder anderen Schaden …
»Cadence!« Das war jetzt George Pinkman, der vor Begeisterung von einem Fuß auf den anderen hüpfte. »Ich hab das neue Halo ! * Komm und hilf mir, mit dem Geschmeiß aufzuräumen.«
»Ein andermal«, erwiderte ich freundlich. George verursachte mir eine Gänsehaut. Er war ein Soziopath, wie er im Buche stand. Außerhalb seiner gewalttätigen Videospiele glaubte er an keine Realität. Warum BOFFO solche Typen überhaupt beschäftigte, würde ich nie verstehen, aber natürlich war ich auch nicht in einer Position, um mich darüber zu beklagen oder es zu verurteilen. Ich meine, Herrgott noch mal! Schließlich war ich bloß eine Bundesagentin und nicht König Salomon. »Aber danke für die Einladung.«
»Vielleicht hat deine Schwester ja Lust dazu.«
Ein Schauder überlief mich, während ich mich an ihm vorbei zu meinem Schreibtisch schlängelte. Er war also wirklich verrückt. Aber wie sonst hätte er die BOFFO-Legitimation auch bekommen können? Mit seinen großen grünen Augen, der Adlernase und dem entschlossenen Kinn hatte George schon eine ganze Menge Leute getäuscht. Obwohl er eher schmächtig war, besaß er nicht weniger als drei Schwarze Gürtel. George kleidete sich oft tuntig und befleißigte sich einer Ausdrucksweise, die sich durchaus dazu eignete, die hiesigen Rednecks zu provozieren. Wenn er sie in Kampfeslaune gebracht hatte, pflegte er sie auf einen einsamen Parkplatz zu locken und ihnen diverse Knochen zu brechen. Alles natürlich nur aus Gründen der Selbstverteidigung. Und stets trug er zu diesen Vergnügungen eine seiner unfassbar geschmacklosen, grellen Krawatten.
Auf die heutige war ein niedlicher Disney-Welpe gedruckt, der wie Christus am Kreuz vor einem Hintergrund aus grellbunten Regenbogen hing.
Ich überflog die eingegangenen Faxe, überprüfte die Verhaftungsmeldungen, tippte auf dem Computer herum und wärmte mein Hot Pocket auf, das ich in sechs Bissen hinunterschlang, so ausgehungert war ich. Dann holte ich mir einen Frappuccino aus dem Automaten, stellte ihn auf mein Hello-Kitty-Mousepad und würgte zwischen Kaffeeschlucken ein paar Aspirin hinunter. Dies, so hoffte ich, würde meinen schlimmen Kater kurieren.
»Cadence Jones!«
Ich drehte mich so schnell auf meinem Stuhl herum, dass ich fast den Frappuccino verschüttet hätte. In der Tür stand unsere Chefin Michaela, eine attraktive Mittfünfzigerin mit silbernen, exakt kinnlang geschnittenen Haaren und unglaublich grünen Augen. Reines Grün, kein Haselnussbraun. Blättergrün! Haar von der Farbe eines Edelmetalls, Augen wie feuchte Blätter … Michaela wäre eine hinreißende Frau gewesen, wenn sie nicht so beängstigend tüchtig und allzeit von Stellwänden, Druckern und Postwägelchen umgeben gewesen wäre. Außerdem war sie, wie üblich, in Ann Taylor gekleidet.
Ich bezwang das Verlangen, den Kopf zu schütteln, um das Brausen in meinen Ohren loszuwerden. Unsere Chefin verfügte über eine Stimme, die es in Lautstärke und Tonhöhe mit einem
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