Cadence Jones ermittelt - Davidson, M: Cadence Jones ermittelt
Nachbarschaft für den Rest des Jahres Albträume haben.
Ach ja. Die andere Besonderheit. Die Tatorte waren immer öffentlich und ziemlich belebt. Außerdem hatten wir noch kein Opfer von Dreierpack gefunden, das länger als zehn Stunden tot war. Und auch das war äußerst rätselhaft, denn auf diese Weise setzte sich der Mörder doch einem größeren Risiko aus. Warum beging er seine Taten derart öffentlich?
Na ja. Warum tut ein Wahnsinniger überhaupt etwas?
Antwort: Er tut es aus Zwang.
Er tut es, weil er keine andere Möglichkeit sieht, es zu tun.
Er tut es, weil ihm die Stimmen in seinem Kopf keine Ruhe lassen, solange er es nicht auf diese ganz besondere Art tut. Und zwar jedes einzelne Mal.
Der arme Penner. Dreierpack tat schreckliche Dinge, aber ich hatte den Eindruck, als sei er ursprünglich das Opfer gewesen. Und jetzt war er ein Sklave der Rituale, zu deren Erfüllung er sich zwang. Ich hatte durchaus Mitleid mit ihm – aber das würde mich nicht daran hindern, ihn zu jagen und dingfest zu machen.
»Scheiße auf Toast«, sagte George gähnend. Er hatte schon den zweiten Kaffee intus, den er schwarz zu trinken pflegte. Igitt! Da konnte er ja ebenso gut das Kaffeemehl fressen, um sich den Koffeinkick zu verschaffen! »Hätte vielleicht beim Debriefing die Ohren spitzen sollen.«
»Ja.« Ich hätte dem auch noch einiges hinzufügen können, schwieg aber. George hatte sein Handicap jedoch korrekt eingeschätzt: Vor Kurzem erst waren wir ausführlich über den Killer unterrichtet worden, er aber hatte die Besprechung praktisch verschlafen.
»Was war das Wesentliche?«
»Sieh doch in deinen Notizen nach«, schlug ich liebenswürdig vor, obwohl ich genau wusste, dass mein charmanter soziopathischer Partner an diesem Morgen überhaupt nichts aufgeschrieben hatte – außer vielleicht die Telefonnummer der neuen rothaarigen Aushilfe in der Auswertung.
Was mich betraf, so hatte ich mein Notizbuch bereits in der Hand und kritzelte mit selbstgefälliger Miene darin herum. Mir war unter anderem aufgefallen, dass keine drei Blocks weiter ein sehr gemütlich aussehendes Hotel stand. Hatte der Mörder dort vielleicht die Nacht verbracht? Er hatte ja nicht nur in unserem Bundesstaat gemordet. Er konnte von überall her aus dem Mittelwesten stammen oder von überall her aus den USA. Das Hotel war ein guter Anfang – aber mehr vermutlich auch nicht. Dennoch wurde es höchste Zeit, mit dem Manager, den Wirtschafterinnen, den Zimmermädchen und den Lieferanten zu sprechen.
»Ach, komm schon, Cadence«, quengelte George. »Verschon mich. Wie hätte ich denn mitschreiben können? Ich war doch vor Angst wie gelähmt, nachdem mich deine Schwester so heimtückisch angegriffen hatte.«
»Aber klar, du warst vor Angst wie gelähmt.« Als ob George Psychoboy Pinkman wegen irgendetwas vor Angst wie gelähmt sein könnte, das weder seine Identität noch sein Ego tangierte.
» Caaaaa -dence … «
Ich hasste es, wenn er meinen Namen mit diesem nasalen Heulen in die Länge zog. Dennoch kritzelte ich unermüdlich weiter (wenigstens einer von uns konnte sich wie ein Profi benehmen!) und notierte, welche Geschäfte im Umkreis von dreißig Metern um den Fundort der Leichen herum lagen. Noch mehr Zeugen, die es zu befragen galt. Stundenlange Überwachungsvideos, die angeglotzt werden wollten. Scharen von Ermittlern, die von Tür zu Tür zu Tür gehen mussten. In dieser Hinsicht waren die Ortspolizisten unschätzbar wertvoll. Sie würden die zahllosen Befragungen durchführen, Berichte schreiben, kurz: die ganze Drecks- und Beinarbeit leisten. Die lokalen Ermittler würden kiloweise Müll durchsieben und Hunderte Meter Teppichboden, Bürgersteig und Straße nach winzigen Härchen und mikroskopischem Spurenmaterial absuchen. Und wenn irgendetwas davon erfolgversprechend aussah, dann würde BOFFO einen Agenten schicken, um nachzuhaken.
Ja, und genau das ist der Punkt, an dem viele Bürger nicht mehr mitspielen, weil sie ein und dieselbe Geschichte vier Mal acht verschiedenen Leuten erzählen müssen. Und wer wollte sie deswegen tadeln?
Allmählich hatte ich Mitleid mit George. »Niemals ein einzelnes Opfer«, sagte ich zu ihm. Mein Mitgefühl sollte sich jedoch als grobe Fehleinschätzung herausstellen, denn George hatte nie … und würde auch niemals Mitleid für mich empfinden. »Immer drei.«
»Aha!«, krähte mein Partner entzückt. »Deshalb heißt er also Dreierpack. Jetzt hab ich’s endlich kapiert. Oh – warte mal
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