Cäsar Birotteau (German Edition)
aufgeregte Birotteau fand keinen; der Richter überließ ihm seinen Arbeitssessel. Die drei Anwälte und die Konkursverwalter unterzeichneten das bereits vorbereitete Protokoll.
Dann sagte Camusol zu Birotteau:
»Die Gläubiger verzichten ausnahmslos auf den Rest ihrer Forderungen. Der Beschluß ist so abgefaßt, daß er Ihren Kummer lindern soll. Sie sind frei!«
Der Richter reichte Birotteau die Hand.
»Mein lieber Herr Birotteau!« fuhr er sodann fort, »der Gerichtshof bedauert Ihre Lage. Ihre Fügsamkeit hat uns nicht überrascht, und jedermann zieht den Hut vor Ihrer Ehrlichkeit! Noch in Ihrem Unglück sind Sie dessen würdig, was Sie einst hier in diesem Hause waren. Ich bin seit zwanzig Jahren Kaufmann, und in diesem langen Zeitraum erlebe ich es erst zum zweitenmal, daß ein Kaufmann in der öffentlichen Achtung durch seinen Ruin steigt.«
Birotteau drückte ihm schluchzend die Hand. Der Richter fragte ihn, was er fortan zu tun gedächte. Cäsar gab zur Antwort, er wolle arbeiten, um seine Schulden unverkürzt zu tilgen.
»Wenn Sie zur Durchführung Ihres Sie ehrenden Vorhabens einiger tausend Francs bedürfen, so stehen sie Ihnen bei mir jederzeit zur Verfügung«, erklärte Camusol.
Pillerault, Birotteau und Ragon entfernten sich.
»Na, Cäsar, war das denn so gefährlich?« fragte Pillerault den ehemaligen Parfümhändler, als sie das Portal des Gerichtspalastes verließen.
»Das war dein Werk!« erwiderte Birotteau gerührt.
»Wir sind hier ganz in der Nähe der Rue des Cinq-Diamants. Kommen Sie, Birotteau, wir wollen meinen Neffen aufsuchen!«
Als sie in Popinots Laden traten, kam Konstanze gerade aus dem Zwischenstock herunter, um Anselm Briefe zur Unterschrift vorzulegen. Birotteau schauderte zusammen, als er seine Frau im Dienste eines andern sah. Er wurde bleich und konnte seine Tränen nicht zurückhalten.
»Guten Tag, lieber Cäsar!« rief sie ihm munter entgegen.
»Wie geht es dir hier?«
»Als ob ich bei meinem Sohne wäre!« gab sie zur Antwort.
Birotteau drückte Popinot die Hand.
»Ach, eben habe ich das Recht verloren, dich je meinen Sohn nennen zu dürfen!«
»Wir wollen nicht von unserer Hoffnung lassen!« erwiderte Popinot. »Ihr Kephalol geht vorzüglich, und zwar dank der Reklame in den Tageszeitungen und den Prospekten und Plakaten, die Gaudissart in ganz Frankreich verbreitet. Er läßt jetzt in Straßburg auch deutsche drucken. Wir machen damit eine Invasion über den Rhein. Dreitausend Gros Bestellungen sind bereits eingelaufen.«
»Dreitausend Gros!« rief Birotteau.
»Ja. Und in der Vorstadt Saint-Marceau habe ich billig einen Platz zu einer neuen Fabrik gekauft. Die in der Vorstadt du Temple behalte ich auch.«
»Ach, Konstanze«, klagte Cäsar leise, »mit ein wenig Hilfe wären wir durchgekommen!«
Cäsar, seine Frau und seine Tochter waren fortan ein Herz und eine Seele. Der arme Beamte hatte ein, wenn auch nicht unmögliches, so doch gewaltiges Ziel vor Augen: die Bezahlung seiner Schulden bis auf Heller und Pfennig! Die drei in leidenschaftlicher Redlichkeit vereinten Menschen wurden stockgeizig und versagten sich alles. Jeder Groschen war ihnen heilig.
Cäsarine ging vollkommen in ihrem Beruf auf; sie durchwachte die Nächte, gab sich die erdenklichste Mühe, den Umsatz zu steigern, erfand neue Muster zu Stoffen und entwickelte ein wahres Geschäftsgenie. Ihre Prinzipale mußten ihrer Arbeitswut geradezu Einhalt tun; sie gewährten ihr Gratifikationen, da sie andere ihr angebotene Erkenntlichkeiten, wie Kleider oder Schmucksachen, ausschlug. Geld! war ihre Losung. Jeden Monat brachte sie ihr Gehalt und was sie dazubekam ihrem Onkel Pillerault. Ebenso machte es Cäsar, ebenso seine Frau. Da sie sich alle drei für unfähig dazu hielten und keins die Verantwortung für die Anlage dieser Ersparnisse übernehmen wollte, überließen sie das dem Onkel. Da dieser wieder Geschäftsmann geworden war, so setzte er das Geld an der Börse um, wobei ihm Julius Desmarets und Joseph Lebas gern halfen, indem sie ihn auf Spekulationen hinwiesen, bei denen kein Risiko war.
Der ehemalige Parfümhändler, der bei dem Onkel seiner Frau wohnte, wagte es nicht, sich nach der Verwendung der von ihm, Konstanze und Cäsarine ersparten Summen zu erkundigen. Auf der Straße ging er gesenkten Hauptes hin und entzog aller Welt sein eingefallenes, vergrämtes und teilnahmsloses Gesicht. Am liebsten hätte er sich ganz ärmlich gekleidet.
»Gott sei Dank!« pflegte er zu sagen,
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