Cäsar Birotteau (German Edition)
Höllenrespekt.
Eine furchtbare Strafe, die das Gesetz dem in Konkurs Geratenen auferlegt, ist sein persönliches Erscheinen in der gerichtlichen Hauptgläubigerversammlung, in der über sein Schicksal entschieden wird. Für einen Menschen, der sich über alles hinwegsetzt, ist diese traurige Formalität nicht schlimm, aber für einen Mann wie Cäsar Birotteau mußte sie zu einer Qual werden, die nur mit dem letzten Stündlein eines zum Tode Verurteilten vergleichbar ist. Pillerault tat alles, um seinem Neffen diesen Schreckenstag erträglich zu machen.
Birotteau hatte zu allen Maßnahmen des Konkursverwalters Molineux seine Zustimmung gegeben. Da der Prozeß um die Hypothek auf dem Fabrikgrundstück in der Rue du Faubourg-du-Temple inzwischen endgültig gewonnen worden war, entschieden sich die beiden Konkursverwalter, das Grundstück zu verkaufen. Cäsar widersetzte sich diesem Beschlüsse nicht. Du Tillet, der von der Absicht der Stadtverwaltung, die Oberseine mit Saint-Denis durch einen Kanal zu verbinden, Kenntnis hatte, kaufte das Fabrikgrundstück für siebzigtausend Francs. Birotteaus Ansprüche an der Terrainspekulation um die Madeleine gingen an Claparon über mit der Bedingung, daß er seinerseits auf die von Birotteau noch schuldige Hälfte der Grundbuchs- und Vertragsgebühren verzichte, den. gesamten Kaufpreis der Baustellen an die Vorbesitzer bezahle und sich Birotteaus Wechselschuld gegenüber mit der Dividende begnüge, die bei dem Konkurs herauskommen würde. Birotteaus Anteil an der Firma Popinot & Co. ward von Popinot für achtundvierzigtausend Francs erstanden. Der Pachtvertrag auf die Fabrik in der Vorstadt du Temple blieb bestehen. Das Geschäft »Zur Rosenkönigin« ging für siebenundfünfzigtausend Francs an Cölestin Crevel über, und zwar einschließlich Außenstände, Waren, Mobiliar, Eigentumsrecht an Sultaninnen-Creme und Venus-Wasser sowie unter Übernahme der Mietverträge; auch wurde ihm das Fabrikinventar mitverkauft. Das Aktivvermögen betrug somit einhundertfünfundsiebzigtausend Francs, wozu noch siebzigtausend Francs Dividende aus dem Konkurs des unseligen Roguin kamen. Somit belief sich die Gesamtsumme der Konkursmasse auf zweihundertfünfundvierzigtausend Francs, während die Passiva Vierhundertvierzigtausend Francs betrugen. Es kamen daher mehr denn fünfzig Prozent zur Verteilung.
Der Bankerott ist häufig eine Prozedur, aus der gerissene Kaufleute bereichert hervorzugehen suchen. Birotteau, der arm wie eine Kirchenmaus davonging, erweckte gerade dadurch die Wut du Tillets. Der Bankier hatte fest auf einen betrügerischen Bankerott gerechnet und sah nun, daß es ein grundehrlicher gewesen war. Zwar hatte er die Baustellen um die Madeleine bekommen, ohne daß er den Beutel zu ziehen brauchte, aber dieser Gewinn machte ihm gar keine besondere Freude; viel lieber hätte er den armen Kaufmann ehrlos, ruiniert und gebrandmarkt gesehen. So war es wahrscheinlich, daß man in der Generalversammlung der Gläubiger Birotteaus Redlichkeit anerkennen würde.
In dem Maße, wie Cäsars Lebensmut wiederkehrte, machte ihn sein Onkel mit den Ergebnissen des Konkursganges bekannt. Jede Einzelheit war ein Schlag für den Unglücklichen. Kein Kaufmann hört ohne tiefen Schmerz von der Entwertung der Dinge, die ihm eine Menge Geld oder viel Arbeit gekostet haben. Pilleraults Mitteilungen gingen Birotteau durch Mark und Bein.
»Was ? Siebenundfünfzigtausend Francs die ,Rosenkönigin‘! Allein in den Laden habe ich zehntausend gesteckt und vierzigtausend in die Zimmer! Das Instandsetzen der Fabrikgebäude, das Inventar, die Apparate haben mich dreißigtausend gekostet! Nur zu fünfzig Prozent bewertet, sind für zehntausend Francs Waren da. Und meine Sultaninnen-Creme und das Venus-Wasser sind ein Rittergut wert!«
Diese Jeremiaden des Ruinierten machten gar keinen besonderen Eindruck auf Onkel Pillerault. Der alte Kaufmann ließ sie über sich ergehen, wie ein Schutzmann einen Platzregen. Nur das Vorsichhinbrüten Cäsars, wenn die Rede auf die Gläubigerversammlung kam, machte ihm Sorgen. Wer die Eitelkeit und die Schwächen kennt, denen die Menschen aller sozialen Sphären frönen, wird wissen, was für eine Tortur es für Birotteau sein mußte, als Fallierter den Palast des Handelsgerichts betreten zu sollen, wo er ehedem als Richter ein- und ausgegangen war, dort Schimpf und Schande einstecken zu sollen, wo man ihm einst Dank und Ehren gespendet hatte! Seine unbeugsame Meinung über
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