Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
wieder zu ihm ins Bett steigen wird. Aber Sie sind ein Spaßvogel, Dickerchen, daß Sie uns einen solchen Ball geben und zwei Monate später Prolongationen verlangen! Sie können's noch weit bringen. Wollen wir nicht gemeinsames Geschäft machen? Sie haben einen guten Ruf, davon kann ich profitieren. Oh, du Tillet, der paßt zu Gobseck. Er wird hier mal ein böses Ende nehmen. Wenn er, wie man sagt, das ›Lamm‹ des alten Gobseck ist, wird es nicht lange mit ihm dauern. Gobseck lauert in seinem Netze wie eine alte Spinne, die in der Welt weit herumgekommen ist. Früher oder später heißt es: aus! Der Wucherer schluckt seinen Mann hinunter, wie ich dieses Glas Wein. Um so besser! Du Tillet hat mir einen Streich gespielt ... oh, einen Streich, für den er gehenkt zu werden verdiente.«
Nachdem anderthalb Stunden mit diesem sinnlosen Gewäsch hingebracht waren, wollte Birotteau aufbrechen, während der ehemalige Geschäftsreisende sich anschickte, ihm das Abenteuer eines Volksvertreters in Marseille zu erzählen, der in eine Schauspielerin verliebt war, die die Rolle der »Schönen Arsenie« gab und von dem royalistisch gesinnten Parterre ausgepfiffen wurde.
»Er steht auf,« sagte Claparon, »und stellt sich in seiner Loge vorn hin: Man verhafte den, der gepfiffen hat!... Ist es eine Frau gewesen, so nehme ich sie auf mich, ist es ein Mann gewesen, so wird sich das weitere finden; ist es weder das eine noch das andere gewesen, so soll es das Donnerwetter holen! ... Wissen Sie, wie die Sache ausgegangen ist?«
»Adieu, Herr Claparon«, sagte Birotteau.
»Sie müssen noch mal zu mir kommen,« sagte Claparon darauf, »das erste Wechselchen von Cayron ist mit Protest zurückgekommen, und da ich ihn indossiert habe, mußte ich ihn einlösen. Ich werde deshalb zu Ihnen schicken, erst kommen die Geschäfte.«
Diese kühle und heuchlerische Liebenswürdigkeit griff Birotteau ebenso ans Herz wie die Härte Kellers und der deutsche Spott Nucingens. Die Vertraulichkeit dieses Menschen und seine vom Champagner herausgelockten grotesken Konfidenzen hatten den ehrenhaften Parfümhändler so niedergedrückt, daß er aus dem Zimmer eines verdächtigen Wucherers herauszukommen glaubte. Er ging die Treppe hinunter und befand sich auf der Straße, ohne zu wissen, wohin er sich wenden sollte. Er ging die Boulevards entlang, erreichte die Rue Saint-Denis, erinnerte sich Molineux' und begab sich in den Holländischen Hof. Hier stieg er die schmutzige Wendeltreppe hinauf, die er noch kürzlich so siegesgewiß und stolz hinaufgegangen war. Er dachte an den hartnäckigen Geiz Molineux' und empfand es peinlich, ihn um etwas bitten zu müssen. Wie bei seinem ersten Besuche fand er den Hausbesitzer am Kaminwinkel sitzend vor, aber diesmal nach dem Frühstück; Birotteau brachte sein Anliegen vor.
»Einen Wechsel über zwölfhundert Franken soll ich prolongieren?« sagte Molineux und machte ein spöttisches, ungläubiges Gesicht. »Das ist doch nicht Ihr Ernst, Herr Birotteau. Wenn Sie diesen Wechsel über zwölfhundert Franken am fünfzehnten nicht einlösen können, dann werden Sie mir wohl auch meine Miete nicht zahlen? Ah, das würde mir leid tun, denn in Geldsachen verstehe ich keinen Spaß, mein Einkommen besteht ja aus dem Mietzins. Wie sollte ich sonst meinen Verpflichtungen nachkommen? Sie, als Kaufmann, können solch einem vernünftigen Grundsatz doch nur zustimmen. Geld nimmt keine Rücksicht auf Personen; Geld hat keine Ohren, Geld hat kein Herz. Der Winter ist hart und das Holz ist schon wieder teurer geworden. Wenn Sie am fünfzehnten nicht zahlen, bekommen Sie am sechzehnten um zwölf Uhr eine kleine Vorladung. Oh, Ihr Gerichtsvollzieher, der gute Mitral, ist auch der meinige, er wird Ihnen die Vorladung im Kuvert zustellen mit aller Rücksicht, die er Ihrer hohen Stellung schuldig ist.«
»Herr Molineux, ich habe noch niemals eine Vorladung in eigener Angelegenheit erhalten«, sagte Birotteau.
»Jede Sache hat einmal ihren Anfang«, sagte Molineux.
Bestürzt über diese Roheit des kleinen Alten war der Parfümhändler völlig niedergeschlagen und in seinen Ohren erklang die Totenglocke des Bankrotts. Und jeder Schlag erinnerte ihn an die Aussprüche, die sein erbarmungsloses Rechtsgefühl ihn über die Bankrotter hatte tun lassen. Mit feurigen Zügen preßten sich diese Grundsätze in die weiche Masse seines Gehirns ein.
»Nebenbei bemerkt,« sagte Molineux, »Sie haben vergessen, auf die Wechsel zu setzen: ›Valuta
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