Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
nichts mehr von Geschäften hören; Geld habe ich genug, aber Vergnügen kann man nie genug haben. Wahrhaftig, ich reise fort, ich muß Italien sehen! Ach, das geliebte Italien, auch in seinem Niedergang noch schön, dieses anbetungswürdige Land, wo ich sicherlich eine mollige und doch majestätische Italienerin finden werde! Ich habe die Italienerinnen immer geliebt! Haben Sie nie eine Italienerin gehabt? Nein? Nun, dann begleiten Sie mich nach Italien. Wir werden Venedig sehen, den einstigen Sitz der Dogen, das recht übler Weise in die schlauen Hände Österreichs geraten ist, das von Kunst keine Ahnung hat! Also lassen wir die Geschäfte beiseite, die Kanäle, die Anleihen und die Regierungen. Ich bin ein guter Kerl, wenn ich die Taschen voll Geld habe. Also reisen wir, Donner noch mal!«
»Ein einziges Wort, Herr Claparon, und ich gehe«, sagte Birotteau. »Sie haben meine Wechsel an Herrn Bidault weitergegeben.«
»Sie wollen sagen Gigonnet, den guten kleinen Gigonnet, einen kulanten Mann, so kulant wie ... wie eine Schleife.«
»Jawohl,« fuhr Cäsar fort, »ich wollte ... und hierbei rechne ich auf Ihre Ehrenhaftigkeit und Ihr Zartgefühl ...«
Claparon verneigte sich.
»Ich wollte um Prolongation bitten.«
»Unmöglich,« antwortete der Bankier kurz, »ich bin nicht allein bei diesem Geschäft beteiligt. Wir bilden einen Rat, eine richtige Kammer, in der man sich aber verständigt, wie Speckstücke im Ofen. Oh, verdammt, wie wird da beraten! Die Terrains an der Madeleine bedeuten ja nichts, wir arbeiten noch anderswo. Ach, mein Bester, wenn wir uns nicht auch bei den Champs-Elysées, um die Börse, die bald fertig sein wird, im Viertel Saint-Lazare und in Tivoli beteiligt hätten, dann ständen wir nicht, wie der dicke Nucingen sagt, »mitten in die Geschäfte drin«. Was ist denn die Madeleine-Angelegenheit? Eine kleine Drecksache.
Pfui! Wir knickern nicht, mein Lieber«, sagte er, schlug Birotteau auf den Bauch und faßte ihn um die Taille. »Vorwärts, wir wollen frühstücken und plaudern«, fuhr Claparon fort, um seine Ablehnung zu mildern.
»Gern«, sagte Birotteau und dachte bei sich: »Um so schlimmer für den Gast«, während er sich vornahm, Claparon betrunken zu machen, um herauszubekommen, wer in Wahrheit seine Teilhaber bei einer Angelegenheit, die ihm allmählich immer dunkler erschien, waren.
»Schön! Victoire!« rief der Bankier.
Auf diesen Ruf erschien eine wahre Sibylle, herausgeputzt wie ein Fischweib.
»Sagen Sie den Kommis, daß ich für niemanden zu sprechen bin, auch nicht für Nucingen, die Kellers, Gigonnet oder andere!«
»Es ist nur Herr Lemper da.«
»Mag er die ganze liebe Gesellschaft empfangen. Der Pöbel soll nicht weiter als ins erste Zimmer kommen. Er soll sagen, daß ich nachzudenken habe über einen großen Schluck aus der Pulle ... aus der Champagnerpulle.«
Einen früheren Geschäftsreisenden betrunken zu machen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Cäsar hatte die lebhaften Ausdrücke schlechten Tons für Anzeichen von Trunkenheit gehalten, als er versuchte, seinen Teilhaber auszuhorchen.
»Dieser niederträchtige Roguin steht mit Ihnen immer noch in Verbindung,« sagte Birotteau, »möchten Sie ihm nicht schreiben, daß er einem alten Freunde, den er betrogen hat, helfen solle, einem Manne, mit dem er allsonntäglich zusammen am Tisch gesessen hat und mit dem er seit zwanzig Jahren bekannt war?«
»Roguin? ... ein Dummkopf! Sein Anteil gehört uns. Seien Sie nicht so traurig, mein Bester, alles wird noch gut werden. Bezahlen Sie am fünfzehnten, und bei nächster Gelegenheit wollen wir weiter sehen. Wenn ich sage, wir wollen sehen ... (ein Glas Wein!) so meine ich, die Geldsachen gehen mich absolut nichts an. Wenn Sie nicht zahlen – ich werde Ihnen kein schiefes Gesicht deshalb ziehen, für mich kommt nur eine Kommissionsgebühr beim An- und Verkauf in dieser Sache in Frage, abgesehen von dem, was ich bei den Grundbesitzern herausschlage ... Verstehen Sie? Ihre Teilhaber sind sichere Leute, ich brauche also keine Angst zu haben, verehrter Herr. Heutzutage müssen die Geschäfte auf mehrere verteilt werden! Jedes Geschäft erfordert das Zusammenwirken von so viel Kapazitäten! Beteiligen Sie sich doch an unsern Geschäften. Was soll der Kleinkram mit Pomaden und Kämmen, da kommt nichts dabei heraus! Das Publikum müssen Sie scheren, in die Spekulation müssen Sie mit hineingehen.«
»Die Spekulation?« sagte der Parfümhändler, »was ist das für ein
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