Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
armen Mann mit aller Gewalt festhielt, der sich im fünften Stock schlafen legen wollte; »damit ich nicht die Zeugnisse meiner Torheit zu sehen brauche«, sagte er.
    »Ihr Prozeß ist gewonnen«, rief Derville.
    Bei diesen Worten belebte sich Cäsars starres Gesicht, aber seine Freude erschreckte den Onkel Pillerault und Derville. Die Frauen entfernten sich betrübt, um sich in Cäsarines Zimmer auszuweinen.
    »Dann kann ich also Geld aufnehmen«, rief der Parfümhändler.
    »Das wäre unvorsichtig,« sagte Derville; »die Gegner appellieren, der Gerichtshof kann den Spruch umstoßen; aber in einem Monat werden wir das Urteil haben.«
    »In einem Monat!«
    Cäsar verfiel in einen Erschöpfungszustand, aus dem ihn niemand aufzurütteln versuchte. Diese Art erneuter Starrsucht, bei der der Körper lebte und litt, während die Geistestätigkeit aussetzte, diese vom Geschick vergönnte Gnadenfrist, wurde von Konstanze, Cäsarine, Pillerault und Derville als eine himmlische Wohltat angesehen, und ihre Ansicht war richtig. Birotteau konnte so die Erregung der Nacht, die ihn sonst aufgerieben hätte, aushalten. Er lag auf einem Lehnsessel in dem einen Kaminwinkel; in dem andern saß seine Frau, die ihn aufmerksam beobachtete, mit einem zärtlichen Lächeln auf den Lippen, jenem Lächeln, welches beweist, daß die Frauen der Natur der Engel näher verwandt sind als die Männer, und in das sie eine Mischung von unendlicher Zärtlichkeit und tiefstem Mitgefühl zu legen wissen, ein Geheimnis, das nur die Engel besitzen, die einem zuweilen in den Träumen erscheinen, mit denen die Vorsehung in langen Zwischenräumen die Menschheit beglückt. Cäsarine saß auf einem kleinen Taburett zu Füßen ihrer Mutter, berührte von Zeit zu Zeit mit ihrem Haar die Hände ihres Vaters und versuchte, in diese Zärtlichkeit alle Empfindungen hineinzulegen, die bei solchen Zuständen Worte aufdringlich erscheinen lassen.
    Aufrecht in seinem Sessel, wie der Kanzler de L'Hospital in dem seinigen in der Vorhalle der Deputiertenkammer, trug das Gesicht Pilleraults, dieses auf alles gefaßten Philosophen, den erkennerischen Ausdruck des Antlitzes der ägyptischen Sphinx, während er sich leise mit Derville unterhielt. Konstanze hatte sich entschlossen, den Advokaten um seinen Rat zu bitten, dessen Diskretion über jeden Verdacht erhaben war. Da sie die Geschäftslage auswendig wußte, hatte sie Derville leise die Situation klargelegt. Nach einer Konferenz von etwa einer Stunde, die unter den Augen des stummen Pillerault abgehalten wurde, schüttelte der Anwalt den Kopf und sah Pillerault an. »Gnädige Frau,« sagte er mit der schrecklichen Kaltblütigkeit des Geschäftsmannes, »es muß Konkurs angemeldet werden. Angenommen selbst, daß Sie mit irgendeinem Kunstgriff morgen zahlen können, es sind doch mindestens dreihunderttausend Franken zu bezahlen, bevor man die Terrains beleihen kann. Gegenüber den Passiven von fünfhundertfünfzigtausend Franken haben Sie Aktiva, die sehr schön, sehr gewinnbringend, aber nicht realisierbar sind, und in absehbarer Zeit muß der Zusammenbruch doch erfolgen. Nach meiner Ansicht ist es besser, aus dem Fenster zu springen, als sich die Treppe hinabfallen zu lassen.«
    »Das ist auch meine Meinung, mein Kind«, sagte Pillerault.
    Frau Konstanze und Pillerault begleiteten Derville hinaus.
    »Du armer Vater«, sagte Cäsarine, die sich leise erhoben hatte, um einen Kuß auf Cäsars Stirn zu drücken. »Anselm hat also nicht helfen können?« fragte sie, als der Onkel und die Mutter zurückkamen.
    »Der Undankbare!« rief Cäsar, der von diesem Namen an der einzigen Stelle seines Gedächtnisses, die noch Empfindung hatte, getroffen wurde, wie eine Klaviertaste erklingt, wenn der Hammer ihre Saiten angeschlagen hat.
    Von dem Augenblick an, da dieses Wort ihm wie ein Fluch entgegengeschleudert worden war, hatte der kleine Popinot nicht einen Moment Schlaf oder Ruhe gehabt. Der unglückliche Junge verwünschte seinen Onkel und begab sich zu ihm. Um dessen alte Juristenerfahrung zu widerlegen, wandte er die Beredsamkeit des Liebenden auf und hoffte, damit einen Mann umstimmen zu können, an dem Menschenworte abglitten wie Wasser an einem Wachstuch, einen Richter!
    »Vom Standpunkte des Kaufmanns aus«, sagte er, »ist es allgemein gestattet, daß der tätige Gesellschafter dem stillen Gesellschafter einen gewissen Betrag auf den Gewinn im voraus auszahlt, und unsere Gesellschaft wird Gewinn bringen. Nach genauer

Weitere Kostenlose Bücher