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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Aussehen des ersten Bureaus überein. In einer Ecke befand sich ein großer Verschlag von Eichenholz, der mit kupferfarbenen Strichen gegittert war, mit einem beweglichen Schieber versehen und einen riesigen eisernen Kasten enthaltend, der offenbar den Ratten als Tummelplatz diente. Dieser Verschlag, dessen Tür offen stand, enthielt noch einen Sekretär von phantastischer Form und einen elenden durchlöcherten, grünen Schreibsessel mit zerrissenem Bezug, aus dem das Polsterhaar wie die Perücke des Chefs in zerzausten Korkzieherlocken heraussah. Dieses Zimmer, früher anscheinend der Salon der Wohnung, bevor es zum Bureau umgewandelt worden war, besaß als Hauptschmuck einen runden, mit einer grünen Tischdecke versehenen Tisch, um den alte Stühle in Maroquinleder mit verblaßten Nägeln standen. Der ziemlich elegante Kamin wies nichts von den schwarzen Flecken, die das Feuer macht, auf, seine Platte war unbenutzt, sein Spiegel war übel von Fliegen beschmutzt und paßte zu der Uhr aus Mahagoniholz, die auf dem Ausverkauf irgendeines alten Notars erstanden war und ebenso trübe stimmte, wie die beiden Leuchter ohne Kerzen und der klebrige Staub. Die mausgraue Tapete mit einer rosa Borte ließ durch ihr verräuchertes Aussehen darauf schließen, daß hier die Luft durch Raucher verdorben wurde. Alles sah genau so aus wie die gewöhnlichen Räume, die von den Zeitungen »Redaktionszimmer« genannt werden. Birotteau, der nicht unhöflich sein wollte, klopfte dreimal leicht an die dem Eingang gegenüberliegende Tür.
    »Herein!« rief Claparon, dessen Stimme von weit her erklang, weil der Bankier sich in dem Zimmer, in das der Parfümhändler eingetreten war und in dem ein helles Feuer brannte, nicht befand. Dieses Zimmer diente ihm in der Tat als Privatzimmer. Zwischen dem pomphaften Empfang Kellers und der merkwürdigen Nachlässigkeit dieses angeblichen großen Mannes der Industrie war ein Unterschied wie zwischen Versailles und dem Wigwam eines Huronenhäuptlings. Der Parfümhändler hatte die Bankwelt in ihrer Herrlichkeit gesehen, jetzt sollte er sie in ihrer Erbärmlichkeit kennenlernen. In einer hinter dem Zimmer befindlichen Nische, dessen gesamtes einstmals ziemlich elegantes Mobiliar abgenutzt, schmutzig, fettig, ruiniert, in Unordnung und zerbrochen war infolge der Gewohnheiten eines liederlichen Lebens, lag Claparon, der sich beim Anblick Birotteaus in seinen schmierigen Schlafrock hüllte, seine Pfeife weglegte und die Vorhänge des Bettes mit einer Geschwindigkeit zuzog, die bei dem unschuldigen Parfümhändler über seine Sittlichkeit Zweifel erwecken mußte.
    »Setzen Sie sich doch, Herr Birotteau«, sagte dieses Spottbild eines Bankiers.
    Claparon, ohne Perücke, mit einem schiefsitzenden Tuch um den Kopf, erschien Birotteau um so abschreckender, als der Schlafrock, wenn er sich öffnete, eine Art von weißer gestrickter Unterjacke sehen ließ, die durch übermäßig langes Tragen braun geworden war.
    »Wollen Sie mit mir frühstücken?« sagte Claparon, der sich an den Ball des Parfümhändlers erinnerte und sich gleichzeitig revanchieren und mit dieser Einladung Birotteau ausweichen wollte. In der Tat befand sich auf einem runden Tische, der in Eile von seinen Papieren befreit worden war, eine hübsche Zusammenstellung von Pastete, Austern, Weißwein und den üblichen in Champagner gekochten Nieren, deren Sauce geronnen war. Das Steinkohlenfeuer beleuchtete eine Omelette mit Trüffeln.
    Zwei Gedecke, mit ihren von dem Souper des vergangenen Abends fleckigen Servietten, hätten schließlich auch der reinsten Unschuld die Augen geöffnet.
    »Es sollte jemand zu mir kommen, aber dieser Jemand hat sich gedrückt«, sagte der schlaue Reisende so laut, daß es eine in seinem Bett versteckte Person hören mußte.
    »Herr Claparon,« sagte Birotteau, »ich bin ausschließlich in Geschäftsangelegenheiten hier und werde Sie nicht lange aufhalten.«
    »Ich bin überlastet,« erwiderte Claparon und zeigte auf sein Zylinderbureau und die mit Papieren überhäuften Tische, »man läßt mir nicht einen freien Augenblick, um zu mir zu kommen. Ich nehme eigentlich nur am Sonnabend Besuch an, aber für Sie, verehrter Herr, bin ich immer zu sprechen! Mir bleibt gar keine Zeit mehr für die Liebe und den Bummel, ich verliere die feine Nase für die Geschäfte; die verlangt eine wohlverteilte Muße. Ich komme nicht mehr dazu, untätig auf den Boulevards zu flanieren. Ach, die Geschäfte langweilen mich, ich will

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