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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Proben ihrer Meisterwerke angebracht. Den größten Teil des Tages gewährten die offen stehenden Türen einen Einblick in die eigenartige Mischung von Werkstatt und Haushalt, aus der ein unglaubliches Gelärme, Geschrei, Gesinge und Gepfeife hervordrang, das an die Stunde der Nachmittagsfütterung der Tiere im Zoologischen Garten erinnerte. Im ersten Stock wurden in einem ekelhaften Loch die schönsten Hosenträger von Paris hergestellt; im zweiten, inmitten von widerwärtigem Schmutz, die elegantesten Kartons, die zu Neujahr die Schaufenster der Boulevards und des Palais Royal zieren. Gigonnet starb, im Besitze eines Vermögens von einer Million achthunderttausend Franken, in der dritten Etage dieses Hauses, ohne daß ihn irgend etwas hätte bewegen können, sie zu verlassen, trotz des Anerbietens der Frau Saillard, seiner Nichte, ihm eine Wohnung in einem Hause des Palais Royal zur Verfügung zu stellen.
    »Mut«, sagte Pillerault, als er an dem Rehfuß zog, der an einer Schnur an der grauen sauberen Tür Gigonnets hing.
    Gigonnet öffnete selbst. Die beiden Beschützer des auf dem Schlachtfeld der Bankrotteure kämpfenden Parfümhändlers schritten zuerst durch ein nüchternes, kaltes Zimmer ohne Vorhänge an den Fenstern. Dann nahmen alle drei im zweiten Zimmer Platz, der Wucherer vor einem Kamin voll Asche, in der sich Holz gegen das Feuer wehrte. Popinot wurde eiskalt beim Anblick der grünen Mappen des Wucherers und der mönchischen Kahlheit dieses Zimmers mit seiner Kellerluft. Er betrachtete mit starrem Ausdruck die bläuliche Tapete mit dreifarbigem Blumenmuster, mit der die Wände seit zwanzig Jahren beklebt waren, und wandte seine traurigen Augen dann dem Kamin zu, auf dem eine Uhr in Lyraform und längliche Vasen aus blauem Sevresporzellan mit reichen vergoldeten Kupferverzierungen standen. Dieses Strandgut, das Gigonnet bei dem Schiffbruch von Versailles, als der Pöbel alles zerstörte, aufgelesen hatte, stammte aus dem Boudoir der Königin; aber neben diese kostbaren Vasen waren zwei Leuchter elendester Sorte aus Schmiedeeisen gestellt, die durch ihren schreienden Kontrast daran erinnerten, welchem Umstände man sie zu verdanken hatte.
    »Ich weiß, daß Sie nicht Ihretwegen kommen können,« sagte Gigonnet, »Sie kommen für den großen Birotteau. Nun, was gibt es, meine lieben Herren?«
    »Ich sehe, daß man Ihnen nichts zu erklären braucht, wir werden also kurz sein,« sagte Pillerault, »Sie haben Wechsel an die Order von Claparon in Händen?«
    »Ja.«
    »Wollen Sie fünfzigtausend Franken davon gegen Wechsel des Herrn Popinot hier eintauschen, wohl verstanden mit einem Abzug?«
    Gigonnet nahm seine scheußliche grüne Mütze ab, die man für angewachsen hätte halten können, zeigte auf seinen kahlen Schädel von der Farbe frischer Butter, verzog sein Gesicht zu einer Grimasse wie Voltaire und sagte: »Wenn Sie mich mit Haaröl bezahlen wollen, was soll ich damit anfangen?«
    »Wenn Sie scherzen wollen, dann können wir uns zurückziehen«, sagte Pillerault.
    »Sie reden wie ein Weiser, der Sie ja auch sind«, sagte Gigonnet mit schmeichelhaftem Lächeln.
    »Nun, und wenn ich die Wechsel des Herrn Popinot girieren würde?« sagte Pillerault, indem er einen letzten Angriff versuchte.
    »Sie sind so gut wie ungemünztes Gold, Herr Pillerault, aber ich brauche kein Gold, ich will bloß mein Geld haben.«
    Pillerault und Popinot grüßten und entfernten sich. Am Fuße der Treppe wankten Popinot noch die Beine.
    »Ist das ein Mensch?« sagte er zu Pillerault.
    »Man behauptet es«, erwiderte der Alte. »Behalte diese kurze Besprechung für immer im Gedächtnis, Anselm! Du hast hier das Bankwesen ohne die Tünche seiner liebenswürdigen äußeren Formen zu Gesicht bekommen. Unerwartete Ereignisse sind die Schraube an der Kelter, wir sind die Trauben und die Bankiers sind die Bottiche. Das Terraingeschäft ist sicher gut; Gigonnet oder einer seiner Hintermänner wollen Cäsar erwürgen und sich seiner Haut bemächtigen: damit ist alles gesagt, eine Hilfe ist unmöglich. So ist die Bankwelt, wende dich niemals an sie!«
    Nach dem schrecklichen Vormittag, an dem Frau Birotteau zum erstenmal die Adressen der Leute, die ihr Geld holen wollten, notieren und den Bankboten ohne Zahlung zurückschicken mußte, sah die tapfere Frau, die glücklich war, ihrem Manne diesen Jammer ersparen zu können, um elf Uhr Pillerault und Popinot zurückkommen, auf die sie mit immer wachsender Angst gewartet hatte; sie las

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