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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Gottes und für die heilige Kirche gelitten haben, weil wir nach ihren Vorschriften tugendhaft gelebt haben; sonst hätten die Dinge hienieden überhaupt keinen Sinn. Ich wiederhole Dir diese Grundsätze, weil ich weiß, wie fromm und gut Du bist, denn es kann solchen, die wie Du in die Stürme des Welttreibens und auf das gefahrvolle Meer der menschlichen Interessenkämpfe hinausgeworfen sind, beikommen, inmitten ihrer Nöte und vom Schmerz hingerissen, Verwünschungen auszustoßen. Du darfst weder den Menschen fluchen, die Dich beleidigen, noch Gott lästern, der nach seiner Weisheit Dir Bitternisse auferlegt hat. Sieh nicht auf das Irdische, sondern erhebe Deine Augen zum Himmel; von daher kommt der Trost der Schwachen, dort ist der Reichtum der Armen, dort die Verdammnis der Reichen ...«
    »Aber, Birotteau,« sagte seine Frau, »übergeh das doch und sieh nach, ob er uns etwas schickt.«
    »Wir werden den Brief noch oft lesen«, erwiderte der Kaufmann, indem er seine Tränen trocknete, und faltete das Schreiben auseinander, aus dem eine Anweisung auf die Staatskasse herausfiel. »Ich wußte, daß ich auf dich rechnen konnte, mein guter Bruder«, sagte Birotteau und hob die Anweisung auf.
    »...Ich bin zu Frau von Listomère gegangen«, las er, von Schluchzen unterbrochen, weiter, »und habe sie, ohne ihr den Grund für mein Ansuchen mitzuteilen, gebeten, mir alles, worüber sie für mich verfügen könne, zu leihen, um damit den Betrag meiner Ersparnisse erhöhen zu können. Ihre Großmut hat mir gestattet, eine Summe von tausend Franken zusammenzubringen, die ich Dir in einer, Anweisung des Generalsteuereinnehmers von Tours auf die Staatskasse übersende.«
    »Eine schöne Hilfe!« sagte Konstanze und sah Cäsarine an.
    »Indem ich mir einiges Überflüssige in meiner Lebenshaltung versage, werde ich imstande sein, Frau von Listomère in drei Jahren die vierhundert Franken, die sie mir geliehen hat, zurückzuzahlen, Du brauchst Dich also deswegen nicht zu beunruhigen, lieber Cäsar. Ich schicke Dir alles, was ich auf der Welt besitze, und wünsche, daß diese Summe Dir zu einer glücklichen Lösung in Deiner geschäftlichen Verlegenheit verhelfen möge, die sicherlich nur vorübergehend ist. Da ich Dein Zartgefühl kenne, will ich Deinen Einwürfen zuvorkommen. Du darfst weder daran denken, mir Zinsen zu zahlen, noch mir den Betrag zurückzugeben, wenn Du wieder in guten Verhältnissen sein wirst, was ja nicht lange auf sich warten lassen wird, wenn Gott mein Gebet erhört, das ich täglich an ihn richte. Nach meinem letzten Besuch vor zwei Jahren habe ich Dich für einen reichen Mann gehalten und glaubte, über meine Ersparnisse zugunsten der Armen verfügen zu können; jetzt jedoch gehört alles, was ich habe, Dir. Wenn Du Dein Schiff an dieser Klippe vorbeigesteuert haben wirst, dann bewahre den Betrag für meine Nichte Cäsarine auf, damit sie, wenn sie verheiratet sein wird, sich irgendeine Kleinigkeit dafür anschafft, die sie an ihren alten Onkel erinnert, dessen Hände sich immer zum Himmel erheben werden, um Gottes Segen auf sie und alle, die ihr teuer sind, herabzuflehen. Bedenke schließlich, mein lieber Cäsar, daß ich ein armer Priester bin, der mit Gottes Hilfe dahinlebt, wie die Lerchen auf dem Felde, der seinen Weg wandelt in der Stille, den Vorschriften unseres himmlischen Heilands zu gehorchen sucht und der daher wenig zum Leben braucht. Mache Dir daher in der schwierigen Lage, in der Du Dich befindest, nur ja keine Gewissensbisse und denke an mich als an einen, der Dich von Herzen liebt. Unser vortrefflicher Abbé Chapeloud, dem ich nichts von Deiner Lage gesagt habe, weiß, daß ich an Dich schreibe, und hat mich beauftragt, die freundlichsten Grüße an alle Mitglieder Deiner Familie zu übermitteln und Dir weiteren Wohlstand zu wünschen. Leb wohl, lieber, teurer Bruder, ich bete zu Gott, daß er Dir in Deiner Lage die Gnade erweisen möge, Dich bei guter Gesundheit zu erhalten, Dich, Deine Frau und Deine Tochter; ich wünsche Euch allen Geduld und Mut bei allen Widerwärtigkeiten.
    Franz Birotteau,
Priester, Vikar an der Kathedral- und Parochialkirche von Saint-Gatien in Tours.«
    »Tausend Franken!« sagte Frau Birotteau mißmutig.
    »Bewahre sie auf,« erwiderte Cäsar ernst, »er besitzt nicht mehr. Im übrigen gehören sie unserer Tochter und sollen uns zum Lebensunterhalt dienen, ohne daß wir etwas von unseren Gläubigern zu erbitten brauchen.«
    »Dann werden sie denken, daß du

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