Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
Beifallsbezeugungen von der Börse begrüßt. Pillerault wollte sich eingehend über die herrschenden Ansichten unterrichten. In der lärmendsten Gruppe sah er du Tillet, Gobenheim-Keller, Nucingen, den alten Guillaume und seinen Schwiegersohn Joseph Lebas, Claparon, Gigonnet, Mongenod, Camusot, Gobseck, Adolph Keller, Palma, Chiffreville, Matifat, Grindot und Lourdois.
»Wie vorsichtig man sein muß!« sagte Gobenheim zu du Tillet, »es hat nur an einem Haar gehangen und meine Schwäger hätten Birotteau einen Kredit gewährt!«
»Ich sitze mit zehntausend Franken drin, die er von mir vor vierzehn Tagen entliehen hat, und die ich ihm auf seine bloße Unterschrift gegeben habe«, sagte du Tillet. »Aber er hat mir früher mal einen Dienst erwiesen, ich werde um den Verlust nicht trauern.«
»Er hat es gemacht wie alle andern, Ihr Herr Neffe,« sagte Lourdois zu Pillerault, »er hat Feste gegeben! Daß ein Schwindler Sand in die Augen zu streuen versucht, um das Vertrauen zu erhöhen, das verstehe ich; aber wie kann ein Mann, der zu der Auslese der rechtschaffenen Leute gezählt wurde, zu diesem Köder des alten Charlatanismus greifen, auf den wir immer noch anbeißen!«
»Wie die Blutegel«, sagte Gobseck.
»Man darf nur Leuten trauen, die in solchen Löchern wohnen wie Claparon«, sagte Gigonnet.
»Na,« sagte der dicke Baron von Nucingen zu du Tillet, »Se haben mir wollen spielen 'n Schabernack, daß Se mir haben geschickt den Pirotteau. Ich weiß nich,« fuhr er fort, indem er sich an Gobenheim, den Fabrikanten, wandte, »warum er sich nich hat holen lassen von mir funfzigtausend Franken, ich hätt se ihm gegeben.«
»Ach nein, Herr Baron«, sagte Joseph Lebas. »Sie wußten recht gut, daß die Bank seine Wechsel nicht nehmen wollte, Sie haben sie ja vom Aufsichtsrate zurückweisen lassen. Die Angelegenheit dieses armen Mannes, für den ich immer noch die größte Achtung hege, hängt mit ganz besonderen Umständen zusammen ...«
Pillerault drückte Joseph Lebas die Hand.
»Es ist in der Tat unmöglich,« sagte Mongenod, »sich zu erklären, wie das gekommen ist, wenn man nicht annimmt, daß hinter Gigonnet Bankleute stecken, die das Terraingeschäft an der Madeleine ruinieren wollen.«
»Es ist ihm gegangen, wie es immer Leuten gehen wird, die aus ihrem eigentlichen Wirkungskreise heraustreten«, unterbrach Claparon Mongenod. »Hätte er sein Huile Céphalique selbst herausgebracht, anstatt sich darauf zu legen, uns die Pariser Terrains zu verteuern, dann hätte er zwar seine hunderttausend Franken bei Roguin eingebüßt, aber er wäre nicht in Konkurs geraten. Er wird jetzt unter Popinots Namen weiter arbeiten.« »Dann paßt auf Popinot auf«, sagte Gigonnet. Roguin hieß bei dieser Gesellschaft von Kaufleuten der »unglückliche Roguin«, der Parfümhändler der »arme Birotteau«. Der eine galt als entschuldigt durch eine große Leidenschaft, der andere als der Schuldigere wegen seiner Prätentionen. Von der Börse ging Gigonnet durch die Rue Perrin-Gasselin, bevor er in die Rue Grenélat zurückkehrte, und begab sich zu Frau Madou, der Fruchthändlerin.
»Na, mein dickes Mütterchen,« sagte er mit seiner schrecklichen Leutseligkeit, »wie geht unser kleines Geschäft?«
»Es geht so sachte«, erwiderte Frau Madou respektvoll und bot dem Wucherer ihren einzigen Sessel mit untertäniger Freundlichkeit an, wie sie sie nicht einmal ihrem »teuren Verblichenen« erwiesen hätte.
Mutter Madou, die einen widerspenstigen oder zu unverschämten Fuhrmann zu Boden geworfen hätte, die sich nicht gefürchtet hätte, am 10. Oktober den Sturm auf die Tuilerien mitzumachen, die schließlich auch imstande gewesen wäre, im Namen der Markthallenweiber vor dem Könige das Wort zu führen, Angelika Madou empfing Gigonnet mit dem tiefsten Respekt. In seiner Gegenwart war sie kraftlos, sie zitterte unter seinem stechenden Blick. Die Leute aus dem Volke werden noch lange vor dem Henker zittern, und Gigonnet war der Henker des Handelsstandes. In den Verkaufshallen wird keine Macht höher geachtet als die des Mannes, der den Geldkurs macht. Alle andern menschlichen Einrichtungen bedeuten neben ihm nichts. Selbst die Justiz verwandelt sich hier in den Polizeikommissar, eine Person, mit der man sich anfreundet. Aber der Wucher, der hinter seinen grünen Mappen sitzt, der mit angstvollem Herzen angefleht wird, läßt den Scherz ersterben, preßt die Kehle zu, läßt den stolzen Blick sich senken und macht das Volk
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