Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
Gerichtspräsidenten begleitete.
Die Gäste kamen pünktlich. Das Diner war, wie alle Diners der Kaufleute, sehr lustig und gemütlich, gewürzt mit plumpen Scherzen, über die immer gelacht wird. Die vorzüglichen Speisen und die guten Weine wurden sehr gewürdigt. Als die Gesellschaft aufbrach, um in den Salons den Kaffee zu nehmen, war es halb zehn geworden. Einige Wagen hatten schon ungeduldige Tänzerinnen gebracht. Eine Stunde später war der Tanzsaal voll und der Ball in vollem Gange. Herr von Lacépède und Herr Vauquelin entfernten sich, zum größten Bedauern Birotteaus, der sie bis zur Treppe begleitete und sie vergeblich bat, noch zu bleiben. Es gelang ihm wenigstens, den Richter Popinot und Herrn von Billardière noch dazuhalten. Mit Ausnahme der drei Damen, die die Aristokratie, die Finanz und die Regierung repräsentierten: Fräulein von Fontaine, Frau Jules und Frau Rabourdin, und deren strahlende Schönheit, Toilette und Manieren sich in dieser Gesellschaft heraushoben, erschienen die übrigen Damen in ihren Ballkleidern plump und derb und zeigten jene gewisse Vierschrötigkeit, die der bürgerlichen Masse den Stempel des Gewöhnlichen aufdrückt, den die Leichtigkeit und Grazie jener drei Damen mit grausamer Deutlichkeit hervortreten ließ.
Die Bourgeoisie der Rue Saint-Denis machte sich mit majestätischem Gebaren breit und zeigte in vollem Umfang die ihr eigenen lächerlichen Narrheiten. Es war diese selbe Bourgeoisie, die ihre Kinder als Ulanen oder Nationalgardisten kostümiert herumlaufen läßt, die die »Siege und Eroberungen« und den »Soldaten als Ackerbauer« kauft, das »Begräbnis des Armen« bewundert, ihre Freude daran hat, wenn die Wache aufzieht, den Sonntag in ihrem Landhause verbringt, sich Mühe gibt, vornehm zu erscheinen, und von kommunalen Ehrenämtern träumt; diese Bourgeoisie, die auf alles neidisch und trotzdem gut, dienstbereit, hingebungsvoll, feinfühlig und mitleidig ist; die sich an einer Subskription für die Kinder des Generals Foy beteiligt, oder für die Griechen, von deren Seeräubereien sie nichts weiß, und für das Kinderheim, das gar nicht mehr existiert; die von ihren Tugenden genasführt und um ihrer Mängel willen von einer Gesellschaftsklasse verspottet wird, die selbst weniger wert ist als sie, die gerade deshalb das Herz auf dem rechten Fleck hat, weil ihr das Konventionelle unbekannt ist; diese tugendhafte Bourgeoisie, die ihre keuschen Töchter zur Arbeit erzieht, deren gute Eigenschaften aber bei der Berührung mit den oberen Klassen dahinschwinden, sobald sie dort eindringen – Mädchen ohne Geist, unter denen der biedere Chrysale sich eine Frau gesucht hätte; mit einem Wort: die Bourgeoisie, deren bewundernswerteste Repräsentanten die Matifats waren, die Drogisten aus der Rue des Lombards, deren Firma seit sechzig Jahren die Lieferungen für die Rosenkönigin hatte.
Frau Matifat, die einen würdevollen Eindruck machen wollte, tanzte mit einem Turban auf dem Haar, in einem schweren ponceaufarbenen, golddurchwirkten Kleide, einer Toilette, die zu ihrem stolzen Gesichtsausdruck, ihrer römischen Nase und ihrem leuchtenden karmoisinroten Teint paßte. Herr Matifat, der bei den Revuen der Nationalgarde so großartig auftrat, wo man auf fünfzig Schritt seinen rundlichen Bauch wahrnahm, auf dem seine Uhrkette und ein Haufen Berlocken glänzten, wurde von dieser Katharina II. des Kontors beherrscht. Klein und dick, aufgeputzt wie zum Maskenball, mit einem Hemdkragen, der bis über den Hinterkopf reichte, fiel er durch seine Baßstimme und den Reichtum seines Wortschatzes auf. Niemals sagte er Corneille, sondern stets: der erhabene Corneille! Racine war der sanfte Racine. Voltaire! Oh! Voltaire war auf jedem Gebiet der zweite, mehr geistreich als genial, aber doch ein Mann von Genie! Rousseau ein verdunkelter Geist, ein Mann voll Ehrgeiz, der sich schließlich erhängt hat. Er erzählte unbeholfen die bekannten Anekdoten von Piron, der bei der Bourgeoisie als ein Wunder gilt. Matifat besaß eine Leidenschaft für Schauspieler und eine leichte Neigung zum Obszönen. Es hieß sogar, daß er sich, nach dem Vorbilde des biedern Cadot und des reichen Camusot, eine Mätresse hielte. Wenn Frau Matifat ihn mit der Erzählung einer Anekdote beginnen hörte, so beeilte sie sich, ihn zu unterbrechen, und schrie ihm zu: »Überlege dir erst, was du sagen willst, Dicker!« Sie nannte ihn ungeniert ihren Dicken. Diese umfangreiche Drogenkönigin ließ selbst
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