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Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf

Titel: Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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Zimmer auf! Dabei werden wir gleich feststellen können, ob irgend etwas fehlt."
    Die Jungen stürzten sich über die Möbel her, richteten sie auf und schleppten sie keuchend auf ihre Plätze zurück. Xantippus dirigierte von seinem Bett aus die Arbeit. Beim Einordnen der Bücher, Mappen und Bilder mußten sie jedes einzelne Stück laut benennen, und Xantippus machte sich mit einem Griffel auf einer Schreibtafel Notizen. Zuletzt sammelten sie die verstreuten Sdireibtafeln auf und warfen sie in eine Truhe, die der Einbrecher ausgeschüttet hatte.
    Nachdem sie fertig waren, starrte Xantippus nachdenklich auf seine Notizen und entdeckte erstaunt, daß ihm einige mathematische Lehrbücher und ein paar belanglose Bilder gestohlen worden waren. „Merkwürdig", sagte er kopfschüttelnd, „die Sachen haben für einen Fremden überhaupt keinen Wert." Und seufzend fügte er hinzu: „Für mich ist es allerdings ein schwerer Verlust. Mein guter, alter Pythagoras ist weg. Und die zweite Rolle der mathematischen Schriften von Euklid. Und mein großes Werk über die spitzen Winkel im stumpfwinkligen Dreieck." Er verstummte und blickte verstört seine Schüler an.
    Antonius zeigte volles Verständnis für seinen Schmerz und sagte tröstend: „Der Räuber, der dich überfallen hat, studiert vielleicht Mathematik und kann sich keine Bücher kaufen. Er wußte, daß
    du ein berühmter Mathematiker bist, da hat er dich auf den Kopf gehauen ... " Doch Xantippus hieß ihn schweigen, und Publius sagte höhnisch: „Ich hab' noch nie gehört, daß ein Räuber Mathematik studiert."
    Flavius fragte schüchtern: „Sollen wir die Polizei holen?"
    Aber davon wollte Xantippus nichts wissen. „Nein. Laßt mich mit der Polizei in Ruhe! Wenn die erst ihre Nase hier reinsteckt, habe ich nur noch mehr Scherereien. Ich kenne das: Sie fragen mir die Seele aus dem Leib, schnüffeln tagelang in meinen Sachen rum, stellen alles auf den Kopf, finden alle möglichen Spuren — nur den Dieb finden sie nie."
    „Ja, ja, sie sind schrecklich dumm", rief Antonius. „Ich hab' mal einen Polizisten auf dem Forum gefragt, wie spät es ist; da hat er lange auf die große Sonnenuhr hinter der Rednertribüne geguckt, und schließlich hat er gesagt: ,Ich weiß es nicht.' Es regnete nämlich."
    „Du redest zuviel", sagte Xantippus. „Deine Zunge wird dich eines Tages noch einmal umbringen."
    Antonius schielte erschrocken auf seine Zungenspitze.
    „Ihr könnt gehen", sagte Xantippus. „Ich danke euch auch, daß ihr mich gerettet habt."
    „Wir taten nur unsere Pflicht", sagte Mucius bescheiden. Und Antonius, der schon vergessen hatte, daß er seine Zunge hüten sollte, sagte strahlend: „Wir wußten gar nicht, daß du im Schrank bist. Wir dachten, du seist in ein Schwein verwandelt worden. Odysseus ist auch in ein Schwein verwandelt worden — von der wunderschönen Zauberin Circe."
    „Geht!" sagte Xantippus.
    „Alle in die Klasse und auf die Plätze!" kommandierte Mucius und wollte seine Freunde hinausdrängen, doch Xantippus rief sie zurück und sagte: „Heute ist keine Schule. Ihr könnt nach Hause gehen. Ihr braucht auch morgen nicht zu kommen. Ich gebe euch ein paar Tage Ferien. Ich muß mich ins Bett legen, um mein Bein auszukurieren. Ich lasse euch Bescheid sagen, wann die Schule wieder anfängt."
    Die Jungen waren freudig überrascht über die unverhofften Ferien, doch Mucius wurde plötzlich ernst und fragte zögernd: „Dann .. . dann gehst du heute auch nicht zu Rufus' Mutter, nicht wahr?"
    Xantippus, der gerade auf einem Bein stand und sein Bett zurechtmachte, drehte sich um. „Zu wem?" fragte er zerstreut.
    „Zu Rufus' Mutter. Du wolltest doch heute zu ihr gehen, weil Rufus gestern abend ... " Mucius brach ab und schaute Xantippus erwartungsvoll an.
    Xantippus räusperte sich. „Ach, so. Ha", murmelte er, „wartet einen Augenblick!" Er kroch ächzend ins Bett, deckte sich zu und legte sich aufatmend in die Kissen zurück. Dann strich er eineWeile nachdenklich seinen Spitzbart und sagte: „Ich hatte nicht beabsichtigt, zu Rufus' Mutter zu gehen. Ich wollte Rufus nur eine heilsame Lehre erteilen. Ich hoffe, daß er durch die Angst, die er inzwischen ausgestanden hat, sein Vergehen bereut."
    „Dann darf Rufus nach den Ferien wieder in die Schule kommen?" fragte Mucius erfreut.
    „Ja, er darf", erwiderte Xantippus gnädig. „Er ist im Grunde genommen kein schlechter Schüler. Ich will ihn wegen einer einmaligen Verfehlung nicht unglücklich

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