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Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf

Titel: Caius, der Lausbub aus dem alten Rom.pdf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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gestiftet.
    „Ist es schlimm, wenn man einen Tempel beschmiert?" fragte Flavius.
    „Und ob, das ist eine brenzlige Sache", sagte Publius.
    Antonius war an die Tempelwand getreten und tupfte mit dem Finger auf das „C" von CAIUS. „Wo hat Rufus nur die schöne rote Farbe her?" sagte er bewundernd.
    Mucius schubste ihn beiseite und versuchte, mit einem Zipfel seiner Toga die Schrift abzuwischen. Die Farbe war jedoch schon trocken. „Dumme Sache", murmelte er. „Die Schmiererei muß runter."
    „Vielleicht können wir sie mit einem Stein abkratzen", schlug Julius vor und schaute sich suchend um. Aber er sah keinen. Der Platz vor dem Tempel war sehr sauber gehalten.
    „Wir nehmen unsere Griffel", sagte Antonius. Doch es war zu spät; zwei Männer näherten sich rasch dem Tempel.

    Flavius raffte blitzschnell seine Schulsachen auf und flüchtete. Er rannte mit wehender Toga über den Minervaplatz und versteckte sich am Waldesrand hinter einer dichten Hecke von Oleanderbüschen. Die andern zögerten nicht lange, sondern folgten seinem Beispiel.
    „Warum bist du ausgerückt?" fragte Antonius noch keuchend.
    „Die Männer glauben vielleicht, daß wir es gewesen sind", erwiderte Flavius.
    „Ruhe!" fauchte Mucius. „Sie können uns hören."
    Die Jungen lugten durch die Zweige und sahen die Männer gerade hinter dem Tempel verschwinden, auf der Seite, wo die Schrift an der Wand stand. Sie mußten sie entdeckt haben, denn der eine rief laut lachend: „Schau dir das an, Clodius! Da hat jemand ,Caius ist ein Dummkopf' an die Tempelwand geschrieben."
    Der andere schien wütend zu sein. „Unerhört", schimpfte er, „das ist ein abscheuliches Verbrechen. Ich verstehe nicht, wie du darüber lachen kannst."
    „Nun, nun, reg dich nicht auf!" ließ sich der erste vernehmen. „Man sieht sofort, daß das ein Kind geschrieben hat. Ein unüberlegter Dummerjungenstreich, weiter nichts. Wir sind auch einmal jung gewesen, mein lieber Clodius."
    „Nein", protestierte der Mann, der mit Clodius angeredet wurde, „so jung kann ich niemals gewesen sein, daß ich einen Tempel entheiligt hätte."
    Die beiden Männer kamen jetzt hinter dem Tempel hervor und gingen auf die Steintreppe zu, die zu der engen Gasse hinunterführte. Es waren zwei ältere Bürger in schneeweißen Togen. Der eine war groß und dick, der andere klein und dünn. Der Dicke fuchtelte beim Reden zornig erregt mit seinen Armen. Er blieb plötzlich stehen, packte den kleinen Dünnen bei der Toga und schrie: „Und ich sage dir, das ist kein Dummerjungenstreich mehr. Der Tempel ist dem Kaiser geweiht. Das ist ein gotteslästerlicher Frevel. Dem Jungen müßten beide Hände abgehackt werden. Beide Hände! Und das ist noch viel zuwenig."
    Der Dünne fuhr beunruhigt zurück und sagte beschwichtigend: „Ja, da, du hast recht. Aber was geht's uns an. Wir müssen ins Geschäft. Wir haben viel zu tun heute."
    Sie gingen eilig weiter und stiegen die Treppe hinunter. Zuerst verschwanden ihre Beine, dann ihre Oberkörper und schließlich ihre Köpfe. Einen Augenblick schimmerte noch die Glatze des Dicken in der Morgensonne, dann war auch sie verschwunden.
    Die Jungen richteten sich auf und schauten einander bestürzt an. „So eine Gemeinheit", sagte Antonius. „Er will, daß man Rufus beide Hände abhackt." „Ich hab' euch gleich gesagt, die Sache ist brenzlig", sagte Publius wichtigtuerisch. „Aber es weiß doch niemand, daß es Rufus gewesen ist", rief Flavius.
    „Das ist egal, die Schrift muß weg", sagte Mucius und wollte sich durch die Büsche zwängen, doch Antonius hielt ihn zurück und flüsterte: „Dort drüben kommt jemand!" Er zeigte auf das Haus von Vinicius.
    An den linken Flügel der Villa grenzte eine hohe Gartenmauer, die mit wildem Wein bewachsen war. Wo die Mauer und das Haus zusammenstießen, war eine kleine Pforte, und die Jungen sahen jetzt, daß die Pforte langsam geöffnet wurde. Gleich darauf steckte ein kleines Mädchen den Kopf heraus und schaute sich nach allen Seiten um.
    „Claudia!" sagte Mucius erstaunt. „Was will sie?"
    Claudia war Caius' jüngere Schwester. Die Jungen hatten sie sehr gern. Sie war sanft und freundlich, aber nicht zimperlich. Die Jungen hatten sie früher manchmal mitspielen lassen, doch vor kurzem war sie elf Jahre alt geworden, und seitdem war ihre sorglose Kinderzeit zu Ende. Sie hatte mehrere griechische Gouvernanten bekommen, die sie erzogen und unterrichteten und nicht erlaubten, daß sie allein aus dem Haus

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