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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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seid ja Subversive!«
    So auf Anhieb war Onkel Pericle nicht gekränkt, im Gegenteil. Unterwegs, während sie zu Fuß die Via Nazionale heraufgekommen waren und sein Bruder zu ihm gesagt hatte: »Aber was meinst du, bist du sicher, dass sie uns reinlassen? Sie werden uns doch nicht davonjagen?«, hatte er ihm Mut gemacht: »Machst du Witze! Uns davonjagen? Aber wozu hätten wir denn sonst die Revolution gemacht? Sei ganz beruhigt.« Aber in seinem Inneren war er gar nicht so ruhig. Den ganzen Weg über den Apennin herunter hatte er keinen Zweifel gehabt: »Warte nur, bis ich nach Rom komme, im Handumdrehen habe ich das alles geregelt.« Aber gleich hinter Terni, als klar war, dass sie noch am selben Abend in Rom ankommen würden, sagte er sich immer wieder: »Willst du sehen, dass ich gar nichts regeln kann, und wer weiß, ob man mich überhaupt zu Rossoni vorlässt?«
    Aus diesem Grund war Onkel Pericle zunächst nicht gekränkt. Er hatte sich das erwartet, war resigniert. Aber als er das enttäuschte Gesicht des Bruders sah, mit dem typischen Ausdruck, den Temistocle schon als Kind immer gehabt hatte, dass man gleich wusste: »Es ist aus, da ist nichts mehr zu erwarten, noch eine Reise umsonst, schon wieder mal ordentlich verscheißert«, da lief Onkel Pericle die Galle über. Er griff nach dem Dolch, den er im Gürtel trug, zückte ihn und begann herumzubrüllen, die andere Hand hatte er schon auf die Brüstung gestützt, um darüber hinwegzusetzen, auf die andere Seite, dem Portier von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Aber unterdessen – kaum hatte er die Hand an den Dolch gelegt – waren vier Polizisten von der Ovra oder was weiß ich auf sie losgegangen und hatten sie abgeführt wie zwei Salamis, und Onkel Pericle hatte gerade noch Zeit, dem Portier zuzurufen: »Sag Rossoni, Peruzzi aus Codigoro ist da, du Idiot«, und sie wurden hinter Schloss und Riegel gesteckt, die Sicherheitszelle war gleich nebenan. Und während man sie gewaltsam in die Zelle brachte, bekamen sie ordentlich Fausthiebe in die Seiten. Dann warf man sie auf einen schäbigen alten Tisch und sperrte ab, während Onkel Pericle weiter brüllte: »Peruzzi aus Codigoro!«, bis der letzte Polizist zu ihm sagte: »Seid jetzt still, wir haben verstanden.«
    Bevor er das Polizeipräsidium verständigte, um sie abführen zu lassen, schickte der Oberwächter aber doch vorsichtshalber jemand nach oben. »Man weiß ja nie!« Der sagte es dem Diensthabenden auf dem Stockwerk, der wiederum einem Sekretär, und der packte ein paar Schriftstücke zur Unterschrift zusammen, klopfte an die Tür und trat ein: »Verzeiht, Exzellenz, da sind zwei Verrückte unten, die sagen, sie heißen Peruzzi. Aus Codigoro, scheint mir. Zur Sicherheit habe ich sie einsperren lassen.«
    Nun, Sie werden es nicht glauben, aber Rossoni sprang vom Schreibtisch auf, lief die Treppe hinunter, ließ sich die Zelle aufschließen, und wie die Tür aufging, breitete er die Arme aus: »Peruzzi!«
    Meine Onkel sprangen von dem schäbigen Tisch herunter, auf dem sie saßen, nahmen Haltung an, salutierten mit römischem Gruß und sagten ehrerbietig: »Exzellenz!«
    »Ach was, Exzellenz, ihr Hundesöhne! Kommt her«, und er umarmte sie fest einen nach dem anderen und sagte zu seinem Sekretär: »Das ist Pericle Peruzzi, Achtung, das ist ein ganzer Kerl, ich kenn ihn schon von Jugend auf«, und er nahm sie mit hinauf, zu beiden Seiten untergehakt.
    »Idiot«, sagte Onkel Pericle noch einmal zu dem Portier, als sie wieder an der Wachstube vorbeikamen.
    Rossoni – so steht es ja auch in den Geschichtsbüchern – war damals die Nummer zwei. Nach dem Duce kam er; vor Balbo und all den anderen, die dem Namen nach Minister waren, aber wer wie ein Minister regierte, das war er. Er war das Ohr des Duce, derjenige, der ihm am nächsten stand, und jedes Dokument ging durch seine Hände. Ich wiederhole noch einmal: Er war die Nummer zwei. Sicher war das nicht die ganzen zwanzig Jahre hindurch so gewesen. Beim Duce konnte man ja nie sicher sein. Heute trug er einen auf Händen, und morgen fand man sich im Dreck wieder. Schauen Sie doch nur an, was er mit Balbo gemacht hat. Und mit Ciano? Ciano, der schließlich sein Schwiegersohn war – der Mann seiner Tochter –, den hat er erschießen lassen. Von den anderen ganz zu schweigen. Auch Rossoni hat seine Zeiten der Ungnade durchgemacht, gleich nach der Proklamation des Arbeitsrechts, der Carta del lavoro, als der Duce ihn zum Rücktritt vom Vorstand

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