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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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der faschistischen Gewerkschaften zwang und nach Hause schickte – es hieß, er sei mit der gesamten Gewerkschaftskasse in die Schweiz durchgebrannt, mit dem »Schatz«, wie man munkelte; aber er hat das stets bestritten, hat gesagt, das sei nicht wahr, auch wenn die, die danach kamen, keine Lira mehr fanden, nur Schulden – damals allerdings, 1932, war er wieder in Gnade, und er machte wirklich gut und schlecht Wetter. Sicher, der Duce saß ihm immer im Nacken – im Büro nebenan –, aber bevor man beim Duce eintreten konnte, musste man zu ihm rein. Und sobald er Onkel Pericle sah, fiel er ihm um den Hals und begleitete ihn im Triumph nach oben.
    Sie wollen das nicht glauben? Die Geschichte ist Ihnen zu märchenhaft, es könne nicht sein, dass ein Rossoni sich für jemand wie die Brüder Peruzzi überschlägt oder dass man sie überhaupt beim Hauptportal des Palazzo Venezia reinließ – wenn auch nur, um mit dem Portier zu reden –, ohne dass sie jemand aufhielt, als ob das irgendein Mietshaus in der Via Vincenzo Monti wäre? Ja, selbst zu einem Mietshaus in der Via Vincenzo Monti hätte man zwei Bauern wie die nicht so einfach hingelassen?
    Was sind denn das für Überlegungen, ist doch klar, dass ich abgekürzt habe. Ich kann schließlich nicht alles in allen Einzelheiten erzählen. Ist doch klar, dass sie in einem ersten Schritt, als sie morgens früh von Cà Bragadin aufbrachen, zuerst nach Ferrara gefahren sind. Sie waren schließlich nicht blöd, einfach so ins Blaue zu fahren, ohne ein Papier! Damals konnte man ja nicht einfach herumfahren, wie es einem beliebte. »Ich bin’s leid hier, jetzt gehe ich mal woandershin.« Da brauchte man Genehmigungen. Es gab ein Kommissariat für Binnenmigration. Das kontrollierte, wer kam und wer ging. So war es zum Beispiel verboten, vom Land in die Stadt zu ziehen – »Dort suche ich mir dann Arbeit« –, man bekam keine Einschreibung beim Arbeitsamt, man bekam keine Aufenthaltserlaubnis und sie schickten einen mit einer Zwangsausweisung zurück, wie heute die illegalen Einwanderer. Es mag ja sein, dass wir Bauern waren und vielleicht auch ein bisschen ungehobelt, aber bevor sie nach Rom aufbrachen, sind meine Onkel natürlich zur Provinzverwaltung des Fascio in Ferrara gegangen, um sich einen Brief ausstellen zu lassen, der lautete: »Die Kameraden X Y kommen aus diesem und jenem Grund, lasst ihnen ein Höchstmaß an Kooperation und Hilfe angedeihen, mit faschistischem Gruß und Dank.« Meinen Sie, der Verbandsführer von Ferrara hätte meinem Onkel Pericle dieses Papier etwa nicht ausgestellt? Ja, wissen Sie denn überhaupt, wovon hier die Rede ist? Und dann in Rom an der Piazza Venezia, versteht sich, noch bevor sie wirklich hinkamen, haben sie einem Polizisten diesen Wisch gezeigt und dann nach und nach ein paar Polizisten in Zivil, erst dem einen, dann dem anderen, bis in die Mitte der Piazza und dann noch weiter, bis sie eben zum Haupteingang kamen, wo neben dem strammen Musketier des Duce in seinem Schilderhäuschen der Wachposten von der Miliz stand, und der führte sie hinein und begleitete sie bis zum Portier. Und der, wer weiß, wie viele Schreiben dieser Art der in seinem Leben schon gesehen hatte, womöglich war er an dem Morgen mit dem linken Fuß aufgestanden, jedenfalls, als dieser Portier die beiden Bauern sah, die obendrein noch großspurig daherkamen von wegen »Wir wollen Rossoni sprechen«, wer weiß, was ihm da durch den Kopf gegangen ist, und vielleicht hat er sich gesagt: »Den beiden Bauernflegeln werd ich’s zeigen, die bring ich auf Trab, am Boden sollen sie mir kriechen.« Und wie sollte er denn wissen, dass die Wut bei uns in der Familie erblich ist? Wir beide aber, mein Herr, wir können so nicht weitermachen. Wir müssen uns einigen. Ich habe nicht recht verstanden, was Sie möchten, aber wenn Sie alles bis ins kleinste Detail wissen wollen, dann kann ich Ihnen das auch erzählen, aus so vielen Jahren Abstand habe ich nichts zu verbergen, und alles, was ich Ihnen sage, ist die lautere Wahrheit. Aber auf diese Art und Weise kommen wir nie an ein Ende. Wenn Sie wollen, dass ich Ihnen die Geschichte auch fertig erzähle, müssen wir unwichtige Details auslassen. Wenn ich Ihnen sage, sie haben etwas gemacht, dann haben sie das gemacht und basta, Sie müssen mir schon glauben, sonst lassen wir es besser gleich. Ich erfinde nichts. Es kann höchstens sein, dass ich mich nicht so genau erinnere.
    Nun, damit Sie’s ein für alle Mal wissen,

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