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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Ein Schlaf und ein Vergessen
     
    Es bleibt kein Erinnern an die Früheren und auch für die Späteren, die kommen werden: Es gibt kein Erinnern an sie bei denen, die noch später kommen.
    Ecclesiastes 1:11
     
    Es war nicht bemerkenswert, daß eine Ratte den Lauf durch das Labyrinth nicht schaffte. Bemerkenswert war nur, daß fünf Ratten es perfekt hinkriegten – und fünf versagten.
    »Mein Gott«, flüsterte George Rines.
    »Noch mal versuchen?« fragte Vaughn Shirten, der Laborassistent, der die Ratten pflegte.
    »Natürlich.«
    Die fünf Ratten, die vorher versagt hatten, versagten wieder. Die anderen bewältigten den Durchlauf perfekt.
    »Vaughn, hast du fünf Ratten, die noch nie durch das Labyrinth gelaufen sind?«
    »Ich habe Ratten aller Art. Gescheite, dumme und psychologisch jungfräuliche.« Er holte fünf Jungfrauen aus dem Rattenraum und schickte sie in das erste Labyrinth. Die Jungfrauen schafften es ebensowenig wie die fünf, die vorher versagt hatten.
    »Mein Gott«, flüsterte George Rines. »Was haben wir getan?«
    »Wir haben wahrscheinlich aus fünf intelligenten Ratten dumme gemacht.«
    Zwei Tage vorher hatten alle zehn Ratten den Durchlauf geschafft. Sie waren dann beliebig in zwei Gruppen eingeteilt worden. Fünf Ratten bekamen eine Droge, einen Tag später noch einmal. Das waren die fünf, die vergessen hatten, wie man durch ein Labyrinth läuft.
    »Um die Ratten mache ich mir keine Gedanken«, sagte George.
    »Ich aber«, sagte Vaughn.
    »Wir haben die Droge auch Menschen gegeben.«
    Vaughn sah ihn verblüfft an. »Menschen? Seit wann braucht man eine Droge, um Menschen dumm zu machen?«
    »Somec, Vaughn, Somec.«
    Jetzt war Vaughn schockiert. »Ich dachte, die hätten das getestet!«
    »Dies ist der letzte Test, Vaughn.«
    »Aber – hat man denn noch keinen von den Leuten aufgeweckt, die Somec bekommen haben?«
    »Noch nicht.« George lächelte müde. »Sie hatten alle Krebs. Sie wollten erst geweckt werden, wenn er geheilt werden kann.«
    »Somec.« Vaughn lachte. »Eine Wunderdroge!«
    »Das ist nicht lustig«, sagte George.
     
    *
     
    »Sie haben einen Vertrag unterschrieben«, sagte Dr. Tell. »Sie dürfen ohne meine Zustimmung nichts veröffentlichen.«
    George schüttelte den Kopf. »Ich darf keine wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlichen. Wenn Sie mir also verbieten, mich an meine Wissenschaftlerkollegen zu wenden, werde ich eben die Presse informieren. Sie wird die Geschichte drucken.«
    Tell sah ihn wütend an; er zwang sich dazu, nicht loszubrüllen und sagte: »Das sieht Ihnen ähnlich, Sie Schuft.«
    »Es genügt nicht, die Genehmigung zurückzuziehen. Die Formel ist öffentlich bekannt – was soll einen graduierten Studenten daran hindern, es in seinem Labor für einen Freund schnell zusammenzurühren? Selbst die Überlebensausrüstung läßt sich leicht arrangieren.«
    »Sie scheinen nicht zu verstehen.« Dr. Tell sprach langsam und betont. Das Lächeln, mit dem er tausend Forschungsprojekte in Angriff genommen hatte, wollte in seinem Gesicht erscheinen, aber es mißlang. »Es geht um mehr als um Somec.«
    George schloß die Augen.
    »Es gibt so etwas wie unabhängige Forschung. Wir haben alles geprüft. Wir waren so vorsichtig, George. Wir haben sogar Rattentests gemacht. Einigen Ratten gaben wir Somec, anderen nicht. Dann brachten wir ihnen bei, durch Labyrinthe zu laufen. Wir erkannten keine Wirkung. Wie sollten wir wissen, daß Somec das Gedächtnis beeinträchtigt?«
    »Es beeinträchtigt nicht, Dr. Tell. Es eliminiert.«
    »Das wissen Sie nicht.«
    »Ich bin verdammt ziemlich sicher.«
    »Verdammt ziemlich ist nicht sicher genug. Da gibt es diesen Dummkopf von Senator. Er wird sich hinstellen und heuchlerisch die aus Bundesmitteln geförderten Projekte kritisieren, die aus Leuten Gehirnamputierte macht, die ohnehin schon Probleme haben. Sie wissen, daß er das tun wird, und das bedeutet, daß man uns diese Mittel entzieht.«
    »Was wollen Sie also unternehmen? So tun als ob alles in Ordnung sei? Man ist doch schon fast so weit, daß gewisse Krebsarten geheilt werden können. Sobald das möglich ist, wird man die Schläfer, die Krebs haben, wecken und feststellen, daß sie nur noch Pflanzen sind.«
    »Ich weiß noch nicht, was wir tun werden!« schrie Dr. Tell.
    »Wir werden die Öffentlichkeit warnen.«
    »Wir werden darüber Stillschweigen bewahren, bis wir wissen, was wir tun werden.«
    »Und wann wird das sein?«
    »Das weiß ich nicht.«
    George stand auf.

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