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Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Titel: Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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Caspar?«
    »Dort! im Traum ...«
    »Im Traum? Das ist doch nichts Wirkliches,« belehrte Daumer zaghaft.
    »Aber du hast doch gesagt, die Seele ist wirklich und macht den Traum –? Ja, sie war hinter der Tür, ich weiß es; das nächste Mal will ich sie aufmachen.«
    Daumer hoffte, das Traumwesen würde sich verlieren, doch dem war nicht so. Dieser eine Traum, Caspar nannte ihn den Traum vom großen Haus, wuchs immer weiter, umschlang und krönte sich mit allerlei Blüten- und Rankenwerk gleich einer zauberhaften Pflanze. Immer wieder schritt Caspar einen Weg entlang und immer wieder endete der Weg vor der hohen Türe, die nicht geöffnet wurde. Einmal zitterte die Erde von Tritten, die innen waren, die Türe schien sich zu bauschen wie ein Gewand, durch einen Spalt über der Schwelle brach Flammengeloder, da erwachte er, und die nicht zu vergessende Traumnot schlich durch die Stunden des Tages mit.
    Die Gestalten wechselten. Manchmal kam statt der Frau ein Mann und führte ihn durch die Bogenhalle. Und wie sie die Treppe hinaufgehen wollten, kam ein andrer Mann und reichte ihm mit strengem Blick etwas Gleißendes, das lang und schmal war und das, als Caspar es fassen wollte, in seiner Hand zerfloß wie Sonnenstrahlen. Er trat nahe an die Gestalt heran, auch sie ward zu Luft, doch sprach sie lautschallend ein Wort, welches Caspar nicht zu deuten verstand.
    Daran hingen sich wieder besondere kleine Träume, Träume von unbekannten Worten, die er im Wachen nie gehört und deren er, wenn der Traum vorüber war, vergebens habhaft zu werden suchte. Sie hatten meist einen sanften Klang, bezogen sich aber, so fühlte er, nie auf ihn selbst, sondern auf das, was hinter der verschlossenen Türe vor sich ging.
    Traumboten waren es, Vögeln des Meeres gleich, die in beständiger Wiederkehr Gegenstände eines halbversunkenen Schiffes an die ferne Küste tragen.
    In einer Nacht lag Daumer schlaflos und hörte in Caspars Zimmer ein dauerndes Geräusch. Er erhob sich, schlüpfte in den Schlafrock und ging hinüber. Caspar saß im Hemde am Tisch, hatte ein Blatt Papier vor sich, einen Bleistift in der Hand und schien geschrieben zu haben. Ein matter Mondschein schwamm im Zimmer. Verwundert fragte Daumer, was er treibe. Caspar richtete den bis zur Trunkenheit vertieften Blick auf ihn und antwortete leise: »Ich war im großen Haus; die Frau hat mich bis zum Springbrunnen im Hof geführt. Sie hat mich zu einem Fensterhinaufschauen lassen; droben ist der Mann im Mantel gestanden, sehr schön anzuschauen, und hat etwas gesagt. Danach bin ich aufgewacht und hab’s geschrieben.«
    Daumer machte Licht, nahm das Blatt, las, warf es wieder hin, ergriff beide Hände Caspars und rief halb bestürzt, halb erzürnt: »Aber Caspar, das ist ja ganz unverständliches Zeug!«
    Caspar starrte auf das Papier, buchstabierte murmelnd und sagte: »Im Traum hab’ ich’s verstanden.«
    Unter den sinnlosen Zeichen, die wie aus einer selbsterdachten Sprache waren, stand am Ende das Wort: Dukatus. Caspar deutete auf das Wort und flüsterte: »Davon bin ich aufgewacht, weil es so schön geklungen hat.«
    Daumer fand sich verpflichtet, den Bürgermeister von den Beunruhigungen Caspars, wie er es nannte, in Kenntnis zu setzen. Was er befürchtet hatte, geschah. Herr Binder legte der Sache eine große Wichtigkeit bei. »Zunächst ist es geboten, dem Präsidenten Feuerbach einen möglichst ausführlichen Bericht zu geben, denn aus diesen Träumen können sicherlich ganz bestimmte Schlüsse gezogen werden,« sagte er. »Dann mache ich Ihnen den Vorschlag, mit Caspar einmal in die Burg hinaufzugehen.«
    »In die Burg? Warum das?«
    »Es ist so eine Idee von mir. Da er immer von einem Schlosse träumt, wird ihn der Anblick eines wirklichen Schlosses vielleicht aufrütteln und uns bestimmtere Anhaltspunkte geben.«
    »Ja, glauben Sie denn an eine reale Bedeutung dieser Träume?«
    »Ganz unbedingt. Ich bin davon überzeugt,daß er bis zu seinem dritten oder vierten Lebensjahr in einer derartigen Umgebung gelebt hat und daß mit dem neuen Erwachen zum Leben und zum Selbstbewußtsein die Erinnerungen an die frühere Existenz auf dem Weg der Träume Form und Inhalt gewinnen.«
    »Eine sehr naheliegende, sehr nüchterne Erklärung,« bemerkte Daumer gallig. »Also der Hintergrund dieses Schicksals wäre nichts weiter als eine gewöhnliche Räubergeschichte.«
    »Eine Räubergeschichte? Mir recht, wenn Sie es so nennen. Ich verstehe nicht, weshalb Sie sich dagegen

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