Cathérine de Montsalvy
Schlag …
Lange weinte sie, ohne zu bemerken, daß Sara eingetreten war und vor ihr stand, stumm und ohnmächtig diesmal, sie in ihrem großen Schmerz zu trösten. Nach langen Minuten wagte Sara einzuwenden:
»Vielleicht hat der Minnesänger schlecht gesehen … Vielleicht ist Gauthier doch nicht tot.«
»Wie sollte er dem Tod entronnen sein?« fragte die junge Frau mit einem nervösen Schlucken. »Und wenn er noch nicht tot war, dann muß er kurz danach gestorben sein …«
Schweigen trat zwischen den beiden Frauen ein. Von weitem, im großen Saal, hörte man die leichten Akkorde der Viola, die für einige Diener, für Donatienne und Saturnin und auch für gewisse Notabeln von Montsalvy aufspielte, die um die Gunst gebeten hatten, den wandernden Sänger zu hören, ein Genuß, der ihnen schon lange nicht mehr vergönnt gewesen war … Die weiche und volltönende Stimme des Florentiners drang in die stille Zelle, in der die beiden Frauen sich gegenübersaßen, ohne ein Wort zu sprechen. Guido sang ein altes Zweireimgedicht von der Liebe des Ritters Tristan und der Königin Isolde:
»Isolde, meine Dame, Isolde, meine Kleine,
für Euch in den Tod, für Euch mein Leben …«
Cathérine unterdrückte ein Schluchzen. Das Klagelied des Minnesängers da draußen rief Erinnerungen in ihr wach; sie schien die heiße, leidenschaftliche Stimme Arnauds noch zu hören, der ihr ins Ohr flüsterte: »Cathérine … Cathérine, meine Kleine …« Und der Jammer, der sie durchbohrte, war so stechend, daß sie die Zähne zusammenbeißen mußte, um den Schmerzensschrei zurückzuhalten, der in ihr aufstieg. Wenn sie ihn in ihrem irdischen Leben nicht wiedersehen sollte, dann wäre es viel besser, diese Welt sofort zu verlassen, statt eine Ewigkeit zu leiden … Einen Augenblick schloß sie die Augen, rang die Hände und preßte die Finger zusammen, um sich wieder in Gewalt zu bekommen, und als sie die Augen aufschlug, war es nur, um Sara einen entschlossenen Blick zuzuwerfen.
»Sara«, sagte sie so ruhig, daß die Zigeunerin zusammenzuckte, »ich gehe! Nachdem Gauthier tot ist, muß ich mich auf die Suche nach meinem Gatten machen.«
»Auf die Suche machen? Aber wo?«
»Da, wo ich ihn bestimmt vermute: in Compostela in Galicia. Es ist unmöglich, daß ich dort nicht erfahre, was aus ihm geworden ist. Und unterwegs werde ich versuchen, die Leiche des armen Gauthier zu finden, damit er wenigstens an einem angemessenen Ort ruht. Der Gedanke, daß er zu dieser Stunde und so lange schon ein Raub der Todesvögel ist, ist mir unerträglich.«
»Aber der Weg ist lang, gefährlich … Wie willst du das schaffen, armes Ding? Wie soll dir gelingen, woran Gauthier gescheitert ist?«
»Das heilige Osterfest ist nicht mehr sehr fern. Herkömmlicherweise bricht eine Pilgergruppe vom Berg in Velay auf, um die Gruft von San Jago aufzusuchen. Ich werde mit ihnen gehen. Auf diese Weise verringern sich die Gefahren der Reise, und ich werde nicht allein sein!«
»Und ich?« wandte Sara sofort empört ein. »Gehe ich nicht mit dir?«
Cathérine schüttelte den Kopf. Sie stand auf, legte ihrer alten Freundin beide Hände auf die Schultern und sah sie zärtlich an.
»Nein, Sara … Diesmal gehe ich allein … Zum erstenmal, wirklich zum erstenmal – denn unser Zerwürfnis in Chinon zählt nicht – werde ich ohne dich gehen! Aber nur, weil du über das Kostbarste, das ich auf Erden habe … über meinen kleinen Michel wachen mußt! Wenn auch du gingest, wer würde sich dann um ihn kümmern? Donatienne ist zu alt, und Saturnin ist nicht jünger. Sie werden dir zwar eine große Hilfe sein, aber dir vertraue ich meinen Sohn an. Du bist so sehr wie ich, Sara, daß ich ihn bei dir so glücklich weiß, so gut versorgt, als wäre ich selbst da. Du wirst mein Gedanke, meine Hände, meine Lippen in einem sein. Du wirst zu ihm von mir, von seinem Vater sprechen. Und wenn Gott wollte, daß ich nicht wiederkehre …«
»Schweig!« rief Sara. »Ich verbiete dir, so etwas zu sagen. Das … das tut mir so weh! …«
Jetzt hatte sie Tränen in den Augen. Cathérine in ihrem Kummer umarmte sie warm.
»Sich auf die Zukunft vorzubereiten hat noch niemanden umgebracht, meine gute Sara. Wenn ich nicht zurückkehre, wirst du Boten an Xaintrailles und Bernard d'Armagnac schicken, daß sie die Vormundschaft über den letzten Montsalvy übernehmen und sich um seine Zukunft kümmern. Aber«, fügte sie mit einem mutigen Lächeln hinzu, »ich hoffe
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