Cathérine de Montsalvy
einem Nachbarn die neuesten Nachrichten aus der Provinz besprach.
Die drei Spaziergänger hasteten eilig durch die schmalen Gassen. Die dicken dunklen Mäntel der Frauen, die ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen hatten, so daß sie zwei flüchtigen Schatten glichen, hoben sich kaum von den schwärzlichen Mauern ab. Was Tristan betraf, so hatte er die Klappen seiner großen Kappe über die Augen heruntergeschlagen, denn ein feiner Regen, einer jener Nieselregen, die gut in die Erde dringen und die Saat zum Wachsen bringen, hatte gleichzeitig mit dem Einfall der Dunkelheit eingesetzt. Das Wasser des Himmels machte die großen, runden Kieselsteine schlüpfrig, mit denen die Gasse gepflastert war, durch die Cathérine und ihre Gefährten gingen, eine Gasse, in deren Mitte eine Abflußrinne verlief, der ein scharfer Geruch nach Fisch entstieg, und das so aufdringlich, daß Cathérine ihr mit Lilienparfüm betupftes Taschentuch herauszog und an die Nase hielt. Sara schimpfte lediglich:
»Ist es noch weit? Hier stinkt es wie die Pest!«
»Wir sind in der Fischhändlergasse. Da könnt Ihr nicht erwarten, daß es nach Ambra und Jasmin duftet«, gab Tristan zurück. »Außerdem sind wir bald da. Die Gasse der Pergamentmacher, wo wir hinwollen, ist die nächste.«
Statt einer Antwort begnügte sich Sara damit, sich bei Cathérine einzuhängen und ihre Schritte zu beschleunigen. Bald bogen sie in die Gasse der Pergamentmacher ein, in der es nicht mehr nach Fisch, doch sonderbar nach Tusche und Stärkemehlkleister duftete. Der schwache Wind ließ die Handwerkszeichen knarren, und die Beleuchtung war noch schlechter als in der Nachbargasse. In der ganzen Gasse war nur ein einziges Fenster erhellt, und dieses Fenster, schmal und dreiteilig, schien eine Feuersbrunst widerzuspiegeln.
Vor dem Fenster – oder eigentlich vor der direkt darunterliegenden Tür – blieb Tristan l'Hermite stehen. Cathérines Augen hatten sich nun genügend an die Dunkelheit gewöhnt, so daß sie ein kleines, ziemlich seltsames Haus wahrzunehmen vermochte, dessen schiefer Giebel ihm das Aussehen einer leicht betrunkenen Alten mit Haube gab. Aber im Gegensatz zu seinen Nachbarhäusern, die aus Fachwerk und Verputz bestanden, war dieses Haus, wie Cathérine feststellte, aus soliden Steinen errichtet. Und wenn die Tür auch niedrig war, so war sie mit blumenverzierten Eisenbändern versehen, und ein großes Zunftschild in Form eines Pergaments hing darüber. Ein großer, feingearbeiteter Ring hing an der Tür, der zum Anklopfen diente.
»Wo sind wir?« flüsterte Cathérine, von der Stille leicht beeindruckt.
»Bei dem Mann, der uns am meisten nützlich sein kann, holde Dame. Beunruhigt Euch nicht.«
»Ich jedenfalls beunruhige mich nicht, ich friere. Meine Füße sind vollkommen naß!« murrte Sara.
»Ihr hättet festere Stiefel anziehen sollen! Ah, es kommt jemand!«
Tatsächlich hörte man hinter der Tür leises Getrippel. Die Tür öffnete sich, drehte sich geräuschlos in ihren wohlgeölten Angeln, und eine kleine Alte in grauem Kleid, in Schürze und Häubchen aus weißem Leinen erschien und verneigte sich, so tief es ihr vom Rheumatismus geplagter Rücken erlaubte.
»Meister Guillaume erwartet Euch, Messire, und Euch auch, edle Damen!«
»Gut, gehen wir hinauf!«
Am Ende eines schmalen Ganges, von dem eine einzige, halbgeöffnete Tür abging, die zweifellos in eine Küche führte, strebte eine steile, von einem brennenden Docht kläglich beleuchtete Treppe nach oben. Vom Kopf der Treppe klang eine sonore Stimme:
»Kommt herauf, Messire. Es ist alles bereit!«
Der Umfang dieser Stimme ließ Cathérine zusammenzucken. Sie erinnerte sie an die Gauthiers, aber der Mann, dem sie eignete, war das genaue Gegenstück des Normannen. Er war klein, verwachsen, bucklig, und über das runzlige Gesicht liefen unablässig nervöse Zuckungen. Er schien weder Haare noch einen Bart, nicht einmal Augenbrauen zu haben, und rote, leuchtende Flecken zeichneten Wangen, Kinn und Stirn. Eine bis zu den Augen heruntergezogene schwarze Mütze verbarg seinen Schädel und hob die rotgeränderten, müden Augen hervor. Cathérine unterdrückte eine Bewegung des Widerwillens angesichts dieses zwitterhaften, abstoßenden Wesens, das sie beharrlich betrachtete, sich dabei mechanisch die Hände rieb und unaufhörlich über die Lippen leckte. Die furchterregende Stimme dröhnte wieder:
»Das ist also die Dame, die wir bräunen müssen! Zuerst werden wir ihr ein Bad
Weitere Kostenlose Bücher