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Cathérine und die Zeit der Liebe

Titel: Cathérine und die Zeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benzoni Juliette
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gehofft, ihn wiederzufinden, aber dies nur, weil sie die echten Berge nicht kannte. Wie konnte man solchen Riesen ihre Beute entreißen? …
    Ohne ihre Gedanken zu kennen, warf Josse ihr einen neugierigen und unruhigen Blick zu.
    Aber dunkel ahnend, daß sie des Trostes bedurfte, erwiderte er fröhlich.
    »Warum dann? Wißt Ihr nicht, daß dieses Land das Land der Wunder ist?«
    »Was wollt Ihr damit sagen?«
    Ermengarde einen kurzen Blick zuwerfend, die mit ihren Leuten etwas zurückgeblieben war und die Brückengebühren bezahlte, deutete Josse auf die schäumenden Wasser des Sturzbachs:
    »Seht Euch dieses Flüßchen an, Dame Cathérine. Es sieht aus, als hätte man nicht die geringste Chance, lebend davonzukommen, wenn man es wagte, sich hineinzustürzen. Nun, vor drei Jahrhunderten ließ der König von Navarra seine junge Schwester Sancie de Béarn, die des Versuchs angeklagt war, ihr Kind zu töten, mit gefesselten Füßen und Händen in diesen Sturzbach werfen. Falls sie lebend wieder herauskäme, sollte ihre Unschuld erwiesen sein …«
    »Gottesgericht?« rief Cathérine, mit Entsetzen auf das schäumende Wasser blickend.
    »Ja, ein Gottesgericht! Die junge Gräfin war zart, ohne Kräfte und schwer gefesselt. Man warf sie von der Höhe dieser Brücke hinunter, und keiner der Mitwirkenden hätte einen Sou für ihr Leben gegeben. Trotzdem spülte sie das Wasser sicher und gesund ans Ufer. Natürlich haben die Leute von einem Wunder gesprochen, aber ich glaube, daß sich dieses Wunder jederzeit wiederholen könnte. Es genügt, daß Gott es will, Dame Cathérine. Was bedeuten also schon die Berge, die tosenden Elemente oder selbst die unerbittliche Zeit? Es genügt zu glauben …«
    Cathérine antwortete nicht, aber der Dankesblick, den sie ihrem improvisierten Knappen zuwarf, bewies ihm, daß er genau getroffen und soeben einen Teil seiner Dankesschuld abgetragen hatte. Mit großer Ruhe sah sie, wie die Strahlen der Sonne die weißen Gletscher entflammten.
    Sie ritt einen Augenblick dahin, ohne zu sprechen, die Augen auf die wunderbare rosige Feuersbrunst gerichtet, die sich da oben, ganz nahe dem Himmel, zeigte, mit ihren Gedanken völlig abwesend.
    Josse hatte seinen Platz hinter ihr wieder eingenommen, aber plötzlich hörte sie ihn hüsteln, richtete sich auf und warf einen etwas verwirrten Blick zu ihrem Knappen zurück.
    »Was ist denn?«
    »Wir sollten vielleicht auf die Dame de Châteauvillain warten. Sie ist immer noch auf der Brücke.«
    Cathérine hielt ihr Pferd an und drehte sich um. Tatsächlich schien Ermengarde sich noch angelegentlich mit dem die Wache befehligenden Sergeanten zu unterhalten. Cathérine hob die Schultern.
    »Was macht sie denn da? Wenn das so weitergeht, werden wir Ostabat heute abend nicht mehr erreichen.«
    »Wenn es nur von Dame Ermengarde abhinge«, bemerkte Josse ruhig, »würden wir es nicht einmal morgen abend erreichen.«
    Cathérine hob die Brauen und warf ihm einen erstaunten Blick zu:
    »Ich verstehe nicht! Erklärt Euch!«
    »Ich möchte sagen, daß die edle Dame ihr möglichstes tut, um unsere Reise zu verlangsamen. Es ist ganz einfach: Sie erwartet jemand.«
    »Jemand? Und wen?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht diesen Sergeanten, der uns nach Aubrac so abrupt verlassen hat. Habt Ihr nicht bemerkt, Dame Cathérine, daß Eure Freundin oft zurückblickt?«
    Die junge Frau begnügte sich damit, zustimmend zu nicken. Tatsächlich hatte sie mehr als einmal Ermengardes Treiben beobachtet. Nicht nur, daß sie keinerlei Eile hatte, nach Galicia zu kommen, sondern sie warf von Zeit zu Zeit auch besorgte Blicke hinter sich. Zornröte stieg Cathérine in die Wangen. So würde sie jedenfalls nicht mehr länger mit sich umspringen lassen, was immer für gute Gründe Ermengarde auch haben mochte. Auf der Brücke palaverte die Gräfin noch immer. Cathérine trieb ihr Pferd an:
    »Vorwärts, Josse! Sie wird uns schon einholen! Ich jedenfalls habe beschlossen, noch heute abend in Ostabat zu sein. Um so schlimmer, wenn wir Madame de Châteauvillain hinter uns lassen. Ich weigere mich, noch mehr Zeit zu verlieren!«
    Der große Mund Josses verzog sich bis zu den Ohren in einem stummen Feixen, während er sein Pferd in die Spur der jungen Frau lenkte.
    Halb Feste, halb Hospiz, hatte die uralte Umspannstation Ostabat viel von ihrem ursprünglichen Wohlstand verloren. Die Zeiten waren schwer, da war besonders der seit Jahren wütende Krieg, der das Königreich Frankreich

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