Blut klebt am Karlspreis
Budenzauber
Ich konnte nur noch verständnislos mit dem Kopf schütteln, nachdem ich beim Morgenkaffee in meinem Büro in der Aachener Zeitung und in den Aachener Nachrichten die Berichte über die gewalttätigen Auseinandersetzungen von angeblichen Fußballfans am Vorabend an der niederländisch-deutschen Grenze gelesen hatte.
Ein meiner Ansicht nach belangloses Fußballspiel zwischen Roda Kerkrade und Borussia Mönchengladbach im Halbfinale des UEFA-Cups hatten einige hirnlose Idioten aus beiden Ländern zum Anlass genommen, sich gegenseitig die hohlen, kurz geschorenen Schädel kräftig zu polieren. Ausgerechnet am Symbol der friedlichen Vereinigung beider Staaten, an der gemeinsamen Grenzstraße von Kerkrade und Herzogenrath, wo schon lange vor der Idee des vereinten Europas das schrankenfreie Miteinander über Staatsgrenzen hinweg gelebt wurde, waren die Schlägertrupps aufmarschiert. Da wollten es die Niederländer den Moffen einmal deutlich zeigen, was man von ihnen hielt, und da wollten die Deutschen im Gegenzug den Kaasköppen lauthals den Hass entgegenbrüllen.
Offensichtlich unbemerkt von der Polizei, die wegen des Fußballspiels und der nicht gerade zart besaiteten Fanatiker aus Mönchengladbach ohnehin im Stadion in Kaalheide in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden war, hatten sich die Schläger an der Nieuwstraat am Kreisverkehr versammelt, an dem die Josefstraße und die Kokelestraat mit der Grenzstraße zusammentrafen.
Nach dem verbalen Schlagabtausch waren die Randalierer auch körperlich aufeinander losgegangen. Über eine Stunde dauerte es, ehe die Ordnungshüter die wüste Prügelei unter den Augen zahlreicher Schaulustiger unterbinden konnten und sich die internationalen Schwachköpfe mit Gejohle und gegenseitigen Schmähgesängen voneinander verabschiedeten.
Erstaunlicherweise war es bei der Keilerei bei wenigen Leichtverletzten geblieben, die nach ambulanter Behandlung ihren dummköpfigen Kameraden folgen durften. Festnahmen gab es bis auf eine Ausnahme keine; lediglich ein volltrunkener Skin aus Richterich musste die Nacht in Polizeigewahrsam verbringen. Die Rädelsführer waren unbemerkt entkommen. Die Polizei hatte zwar die Personalien einiger Beteiligten aufgenommen und einige ihrer Bekannten wieder gesehen, aber es bei den üblichen Aktennotizen belassen.
„Ist es nicht schlimm, dass nach einer solchen Keilerei die Affen wieder frei herumlaufen dürfen?“, fragte ich verärgert meine Sekretärin Sabine, die mit der Kaffeekanne ins Zimmer gekommen war. „Die haben das mit den Frühlingsgefühlen wohl ziemlich falsch verstanden.“ Ich zeigte ihr die Fotos in den Zeitungen, auf denen die Typen mit ihren hasserfüllten Gesichtern abgelichtet waren. Die Kerle schwangen ihre Keulen und Ketten oder prügelten aufeinander ein.
„So ist halt das Leben, mein lieber Tobias“, antwortete Sabine lakonisch und hauchte mir einen feuchten Kuss auf die Stirn. „Frühlingsgefühle habe ich übrigens auch.“ Sie füllte den Kaffee in die Tasse. „Mit oder ohne Zucker?“, fragte sie mich. „Oder etwa doch wieder Süßstoff?“
Darauf konnte ich wahrlich verzichten, von Süßstoff hatte ich nach meinen Erlebnissen beim Alemannen-Sponsor und Printenkönig Noppeney gründlich die Nase voll. „Weder Zucker noch Süßstoff“, antwortete ich, „ich brauche nur dich.“ Ich zog Sabine zu mir auf den Sessel und drückte sie an mich.
„Nicht während der Dienstzeit;“, schnurrte sie, „was soll nur unser Chef denken?“ Dennoch schmiegte sie sich eng an mich und küsste mich erneut.
„Was euer Chef denkt, ist euch wohl einerlei“, tönte es sofort in meinem Rücken. Unbemerkt hatte sich unser Brötchengeber ins Büro geschlichen. „Ihr tut sowieso, was ihr wollt“, brummte er mit gespieltem Zorn.
„Wir fördern das Betriebsklima“, lachte Sabine ungeniert und prompt musste unser Chef schmunzeln. Wenn Sabine beim Lachen ihre niedlichen Grübchen zeigte, konnte ihr niemand widerstehen. Ich kann es nicht und Dr. Dieter Schulz ebenfalls nicht; eigentlich kein Wunder, ist er doch mit Sabines Zwillingsschwester Do verheiratet.
Sabine und ich sind längst nicht so weit. Ob wir allerdings je noch einmal vor den Traualtar treten würden, ließen wir beide offen. Momentan stand uns jedenfalls nicht der Sinn danach. Wir konnten ausgesprochen gut und harmonisch mit unserem gemeinsamen Singledasein auskommen, zumal Dieter und Do, Sabine und ich ohnehin
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