Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
arg bedrängten Männer der Zweiten Legion waren gezwungen gewesen, immer weiter vor den Briten zurückzuweichen, und nun standen sie mit dem Rücken beinahe am Rand des Waldes, aus dem die Bogenschützen aufgetaucht waren. Cato hatte seine letzten Kraftreserven nahezu aufgebraucht; der Schildarm schien sein Gewicht verzehnfacht zu haben, und nun bekam er ihn kaum noch angehoben. Kraftlos hieb er auf die Gesichter der Gegner ein und schaffte es kaum noch, die auf ihn gezielten Hiebe zu parieren. Dennoch kämpfte er weiter, entschlossen, bis zuletzt Widerstand zu leisten. Doch das Ende war nahe, das spürte er. Bestia war gefallen, niedergemacht von drei Gegnern, die sich gleichzeitig auf ihn geworfen hatten, und nun lag er im blutigen Gras, das Gesicht bis auf den Knochen zerhackt. Dass der Legat Seite an Seite mit seinen Männern kämpfte, war ein untrügliches Zeichen, dass auch er die Zweite Legion für verloren hielt. Durch den klug vorbereiteten Hinterhalt von Vor- und Nachhut abgeschnitten, waren die Kohorten der Hauptabteilung auf sich allein gestellt. Vor ihnen war der Boden übersät mit Gefallenen, und das Stöhnen der Verwundeten mischte sich mit der alles übertönenden Kakophonie der Kriegsrufe, der Flüche und des Gebrülls der Männer, die dem Blutrausch der Schlacht erlegen waren. Römische Verwundete trugen nichts zum allgemeinen Getöse bei, denn wer zu Boden ging, fiel alsbald dem unerbittlichen Wüten zum Opfer, das allen Eindringlingen vorbehalten ist. Das Gras ringsumher war rot und glitschig, was eine zusätzliche Gefahr für die Männer darstellte, die auf dem Waldweg in einem Kampf auf Leben und Tod begriffen waren.
Zu Catos Linken kämpfte der Legat der Zweiten mit einer Wildheit, die seine Nebenmänner in Erstaunen versetzte, denn sie kannten ihn vor allem als ruhigen, strengen Vorgesetzten. Doch jetzt, den Tod unmittelbar vor Augen, sah Vespasian keinen Sinn mehr darin, das Dekorum zu wahren. Was die Männer jetzt brauchten, war nicht kühle, aristokratische Reserviertheit, sondern ein Beispiel an Kampfgeist, an dem sie sich bis zuletzt aufrichten konnten. Und daher warf er sich den Briten entgegen und hieb ohne jede Rücksicht auf die eigene Sicherheit auf den Gegner ein. Doch er lebte noch, als wäre er gegen die gegnerischen Hiebe wundersamerweise gefeit, während die Männer ringsum einer nach dem anderen zu Boden gingen.
Obwohl die Römer nicht zurückwichen und nur umso erbitterter kämpften, je schwerer sie bedrängt wurden, witterten die Briten bereits den Sieg. Nachdem das Überraschungsmoment des Hinterhalts verpufft war, hatte ihnen die Legion einen solch schweren Blutzoll abverlangt, dass allein die Auslöschung eines jeden einzelnen Römers ihnen Genugtuung gewähren würde. Vespasian bemerkte einen Streitwagen, der in gestrecktem Galopp hinter den Briten vorbeifuhr. Darauf stand ein prächtig gekleideter Mann von beeindruckender Statur, der seine Männer lauthals anfeuerte und sie vorwärtstrieb, indem er seinen Kriegsspeer immer wieder den Römern entgegenreckte. Einen Moment lang erwog der Legat, eine kleine Gruppe gegen den britischen Befehlshaber zu führen, in der Hoffnung, ihnen durch Togodumnus’ Tod den Kampfgeist auszutreiben. Doch alle Römer waren in Zweikämpfe verwickelt, kein Einziger war entbehrlich. Vespasian sank der Mut, als er beobachtete, wie der Streitwagen unbehelligt vorbeifuhr, doch dann rammte er mit neu entflammter Wut dem Briten, der mit seinem Nebenmann kämpfte, den Schild gegen den Leib und stieß ihm das Schwert in die Seite. Togodumnus würde bei seinem Volk zweifellos als großer Held gefeiert werden, ehe der Tag sich neigte, und diese Vorstellung spornte Vespasian zu noch größerer Wildheit an.
Als die römische Schlachtreihe schließlich dem unerbittlichen Druck nachgab, zerfiel die Legion in unabhängig voneinander agierende kleine Grüppchen, nicht mehr Teil einer zusammenhängenden militärischen Formation, sondern bloß noch kämpfend, um ein bisschen länger zu leben – und um den Gegner für das Privileg des Überlebens bluten zu lassen.
Cato fand sich in einer Gruppe von etwa fünfzig Männern wieder, die sich einer mehrfachen Übermacht von Briten erwehrten. Als er sich erschöpft dem nächsten Angreifer zuwandte, sah er sich auf einmal einem riesigen nackten Mann gegenüber, dessen Körper von Kopf bis Fuß mit seltsamen keltischen Mustern bemalt war. Brüllend holte der Mann mit einem großen Zweihänderschwert nach Catos
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