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Das Maedchen mit dem Stahlkorsett

Titel: Das Maedchen mit dem Stahlkorsett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kady Cross
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Eins
    EINS
    A ls sie den jungen Mann sah, der ihr fröh lich pfeifend und mit wirbelndem Geh stock in dem abgedunkelten Gang entgegenkam , wusste Finley Jayne sofort, dass sie arbeitslos sein würde, noch ehe die Sonne aufging. Die dritte Entlassung in ebenso vielen Monaten.
    Angespannt lief sie weiter. Den Kopf hielt sie gesenkt, war aber klug genug, den Kerl dabei nicht aus den Augen zu lassen. Vielleicht würde er einfach an ihr vorbeigehen, als sei sie so unsichtbar, wie es Diener eben sein mussten.
    Felix August-Raynes war einundzwanzig Jahre alt und der Sohn ihres Arbeitgebers. Er war groß und schlank, hatte blondes Lockenhaar und strahlend blaue Augen. Alle Frauen, die ihn sahen, nannten ihn einen Engel. Die meisten, die ihn kannten, hielten ihn für den Teufel.
    Die anderen Dienstmädchen im Haus hatten sie gleich am ersten Tag – es war gerade mal zwei Wochen her – vor Lord Felix gewarnt. Er gehörte zu einer Bande privilegierter Rohlinge, die man leicht an den Piercings im Gesicht und an der himmelschreienden Missachtung aller anderen Menschen er kannte, besonders wenn diese dem weiblichen Geschlecht angehörten. Man hatte Finley eingestellt, um das letzte Mädchen zu ersetzen, das der junge Lord misshandelt hatte. Den Gerüchten nach hatte es sich sogar in ärztliche Behandlung begeben müssen.
    Finley bemühte sich nach Kräften, Lord Felix aus dem Weg zu gehen, was eigentlich nicht schwierig war, da die Familie häufig an den Feiern anlässlich Königin Victorias diamantenen Thronjubiläums teilnahm. Ein Teil in ihr – jener Teil, der sie beschützen und zugleich dafür sorgen würde, dass man sie hinauswarf – hoffte dagegen, dass er sich danebenbenahm. Dieser Teil empfand angesichts der drohenden Gewalt entsetzliche Freude.
    Der Rest hatte Angst. Hätte sie nicht das mit Fischbein versteifte lederne Arbeitskorsett getragen, dann wäre ihr rasendes Herz womöglich jeden Augenblick durch die Rippen hervorgebrochen – jedenfalls kam es ihr so vor.
    Lord Felix lächelte gefährlich. Als er nur wenige Schritte vor ihr stehen blieb und ihr so den Zugang zu den Dienstbotenkammern versperrte, wo sie schlief, blitzten seine Zähne im Zwielicht. Der winzige Messingstift, der seine linke Augenbraue teilte, glitzerte böse. »Hallo, meine Schöne. Ich hatte schon gehofft, dir endlich einmal zu begegnen.«
    Finley ging langsam auf ihn zu. Vielleicht machte er ja Platz und ließ sie vorbei.
    Oder, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf, oder du verpasst ihm einen Tritt zwischen die Zähne. Sie senkte den Blick, damit der Kerl ihren Blutdurst nicht bemerkte. Insgeheim flehte sie ihn an, sie gehen zu lassen. Um seines eigenen Wohlergehens willen.
    Doch er trat ihr direkt in den Weg. »Du bist neu hier, nicht wahr?« Er rückte vor und war ihr schon längst viel näher, als es sich schickte, und es war niemand in der Nähe, der dafür sorgen konnte, dass er die Grenzen des Anstands nicht überschritt. Über ihnen flackerte ein Licht an der Wand, als wollte es sich Finleys pochendem Herz anpassen. Aus der Nähe roch sein teurer Anzug nach schalem Bier, Duftwasser und den unverkennbaren, öligen Ausdünstungen des Mech-Boxens. Lord Felix war sportbegeistert, allerdings vermochte sie nicht zu begreifen, wie jemand scharf darauf sein konnte, Automaten zu beobachten, die sich gegenseitig die Zahnräder aus dem Leib prügelten.
    »Bitte, Mylord«, sagte sie leise und zuckte selbst zusammen, als sie ihre flehende Stimme hörte. Bitte zwing mich nicht, dir wehzutun. »Ich möchte mich zur Ruhe begeben, es ist schon spät.«
    Genauer gesagt war es nach drei Uhr morgens. Sie hätte schon seit Stunden im Bett liegen können, hätte die verhätschelte Debütantin des Hauses nicht verlangt, dass ihr rosafarbener Reitanzug am nächsten Morgen frisch gewaschen bereitliegen musste. Finley war Lady Alyss’ Zimmermädchen und deshalb dafür verantwortlich, die Kleidung nach unten in die Wäscherei zu bringen, wo die Luft vor heißem Dampf zum Schneiden dick war und es ständig nach überhitzten Getriebeteilen roch. Sie hatte die Sachen gewaschen und zum Trocknen aufgehängt. Jetzt waren ihre eigene Bluse und der kurze Rock feucht, und in den hohen, mit dicken Sohlen versehenen Stiefeln schwitzten ihre Füße. Sie wollte nichts lieber, als die vielen Schnallen öffnen und endlich das Korsett ablegen. Am nächsten Morgen musste sie früh aufstehen, um den Reitanzug abzuholen und für Lady Alyss bereitzulegen.
    Und nun

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