Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
den die meisten von uns jahrelang warten müssen.«
Cato musterte den Mann aufmerksam, bevor er fortfuhr. »Du missbilligst das?«
»Natürlich. Du hast dich in keiner Weise bewährt. Du bist bloß ein Junge.« Pyrax hob die Schultern. »Das ist nicht recht.«
Cato errötete schuldbewusst, froh darüber, dass sein Gesicht im trüben Licht nur undeutlich zu erkennen war. »Ich habe nicht darum gebeten.«
»Das kapier ich nicht. Solche Ernennungen betreffen doch bloß Männer, die über militärische Erfahrung verfügen, aber du? Ich wüsste wirklich gern den Grund.«
»Das war eine Anerkennung für die Verdienste meines Vaters.«
»Ha! Das ist ein guter Witz!«
Draußen war es schließlich dunkel geworden, und nun legte Pyrax Gewand und Nähsachen beiseite. »Übrigens«, Pyrax verharrte in der Tür, »schlaf nicht in deinen Sachen ein. Dann musst du sie morgens reinigen. Bestia kann schlampige Soldaten nicht ausstehen. Wenn er dich schon nicht leiden kann, solltest du seine Abneigung nicht noch weiter schüren, nicht wahr?«
»Danke.«
»Schlaf gut, Kleiner.«
»Ich heiße …«, setzte Cato an, doch die Tür hatte sich bereits hinter Pyrax geschlossen, und der dunkle Raum verschluckte seinen Protest. Einen Moment lang lag er reglos da und wäre fast eingeschlafen, dann fiel ihm wieder Pyrax’ Warnung ein. Er setzte sich auf, tastete mit seinen müden Fingern nach der Schnalle an der Seite des Lederwamses. Die Ausbilder hatten die neuen Rekruten seit Tagesanbruch, der anscheinend schon eine ganze Ewigkeit her war, auf Trab gehalten. Noch im Dunkeln hatte man ihn aus dem Bett gezerrt und auf die Straße gestoßen, wo die anderen Rekruten bereits Aufstellung nahmen. Noch halb im Schlaf, fröstelnd im blassen Morgenlicht und schaudernd im feinen Nieselregen, war ihr Atem in grauen Wolken emporgestiegen, als man sie zum Lager des Quartiermeisters geleitet hatte, wo ihnen die äußeren Merkmale des Alltagslebens abgenommen und durch die Legionärsuniform ersetzt wurden.
»Entschuldigung!«, hatte Cato gerufen. »Entschuldigung. «
Der Gehilfe des Quartiermeisters hatte sich über die Schulter umgesehen. »Was gibt’s?«
»Also, der Umhang scheint mir zu groß zu sein.«
Der Gehilfe lachte. »Nein, Kumpel. Der hat die richtige Größe. Du hast die falsche. Du bist jetzt in der Armee. Eine Größe für alle.«
»Aber sieh doch mal! Das ist doch lächerlich.« Cato hielt sich den Umhang an. Er war viel zu weit für seine schmale Gestalt, der Saum reichte knapp bis zu den Knien. »Da frieren ja meine Beine. Gibt es denn nichts anderes?«
»Nein. Du wirst schon noch reinwachsen.«
»Was?«, erwiderte Cato ungläubig. »Ich bin ausgewachsen. Ich werde nicht plötzlich schrumpfen oder ausschlagen. Und jetzt such mir gefälligst etwas in der richtigen Größe raus.«
»Du hast mich schon richtig verstanden. Was anderes gibt es nicht, du musst dich halt damit abfinden.«
Ihre lauten Stimmen waren im ganzen Lagerraum zu hören, und die anderen Rekruten und Gehilfen hielten inne und blickten in ihre Richtung. In dem kleinen Büro hinter der Theke wurde ein Stuhl auf dem Steinboden zurückgeschoben, dann tauchte in der Tür ein stämmiger Mann auf.
»Was soll denn das Geschrei?«
»Führst du hier die Aufsicht?«, fragte Cato, froh darüber, endlich einen Verantwortlichen vor sich zu haben, bei dem er sich beschweren konnte. Es war hier ja fast so schlimm wie in manchen römischen Läden. Alle setzten heutzutage billige Hilfskräfte ein, Leute, denen ihre Arbeit egal war und die sich mit den Waren nicht auskannten. Als er noch für den Palast eingekauft und gewusst hatte, wie man es anstellte, musste er sich deswegen häufig bei den Vorgesetzten beschweren. »Ich wollte diesem Mann gerade erklären …«
»Wer bist du, verdammt nochmal?«, brüllte der Quartiermeister.
»Quintus Licinius Cato, Optio der Sechsten Zenturie, Vierte Kohorte.«
Der Quartiermeister musterte ihn einen Moment lang mit gerunzelter Stirn, dann lachte er. »Ja, von dir habe ich schon gehört! Optio! Ha! Also gut, Optio«, sagte er lächelnd. »Wo liegt das Problem?«
»Schau her. Ich möchte bloß, dass dieser Mann mir Bekleidung in meiner Größe gibt.«
»Darf ich mal?« Der Quartiermeister streckte die Hand aus, und Cato reichte ihm mit Freuden den Umhang. Der Quartiermeister untersuchte ihn mit übertriebener Sorgfalt, strich über die groben Stiche und hielt ihn schließlich ins Licht, das durch die offenen Fenster
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