Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
wog: Die Autorität des Kaisers würde in Zweifel gezogen werden. Claudius hatte bereits einen Umsturzversuch überlebt, und so lange er nicht den Beifall des römischen Mobs und der im ganzen Reich verteilten Armeen gewann, war sein Machtanspruch gefährdet. Ein erfolgreicher Eroberungsfeldzug würde große Truppenteile binden und die Legionen, die in letzter Zeit ein bedenkliches Interesse an Politik entwickelt hatten, für einige Zeit ablenken.
»Vor sechs Tagen hat sich eine Kohorte der Neunten Legion geweigert, an Bord der Schiffe zu gehen und eine Erkundungsmission an der britischen Küste durchzuführen. Als die Zenturionen die Männer zwingen wollten, sich einzuschiffen, kam es zu einem kurzen Kampf, in dessen Verlauf zwei Zenturionen getötet und vier weitere verwundet wurden.«
»Hat sich das schon herumgesprochen?«, fragte Vitellius.
»Selbstverständlich«, antwortete Vespasian lächelnd. »Was erwartest du denn? Ich habe aus erster Hand erlebt, wie gut Soldaten ihre Geheimnisse hüten.«
Einige der Tribunen erröteten, während Vitellius fortfuhr. »Ist der Grund für die Meuterei bekannt?«
»Offenbar haben die Soldaten eine abergläubische Angst vor dem, was sie in Britannien erwarten könnte. Der übliche Unsinn von wegen feuerspeiende Ungeheuer und Dämonen. Ich weiß, das ist Blödsinn, aber die meisten Legionäre glauben trotzdem daran. Wie die Dinge stehen, haben sich die Soldaten geweigert, die Schiffe auch nur zu Ausbildungszwecken zu betreten.«
»Was wurde deswegen unternommen, Herr?«
»Wir sollen den Marsch nach Gesoriacum fortsetzen, jedoch zehn Meilen davor anhalten und so lange in Wartestellung gehen, bis der Aufstand beigelegt ist – mit oder ohne unsere Hilfe. Der neue Leiter des Generalstabs hielt sich in Lugdunum auf, als die Nachricht eintraf. Er ist im Eiltempo zur Armee unterwegs, und wir sollen ab Durocortorum eine Eskorte bereitstellen. Anscheinend hat er um Soldaten aus unserer Einheit gebeten, da sie sich vom Aufstand bislang nicht hat anstecken lassen.«
»Anstecken?« Plinius hob fragend die Brauen.
»Seine Worte, Tribun, nicht meine.«
»Herr!«, protestierte Plinius. »Ich wollte damit auf keinen Fall andeuten …«
»Schon gut. Narcissus ist bisweilen nicht gerade der Taktvollste, aber daran kann man nichts ändern.«
»Narcissus?«, murmelte Vitellius, gerade laut genug, dass die anderen ihn hörten.
»Narcissus«, meinte Vespasian und nickte bestätigend mit dem Kopf. »Höre ich da Missbilligung heraus, Vitellius ?«
»Ich missbillige es stets, wenn eines Menschen Macht im Missverhältnis zu seiner gesellschaftlichen Stellung steht, so ich mir denn die Kühnheit erlauben darf, Herr.« Einige der anderen Tribunen – denen nicht bekannt war, dass der Legat aus der Provinz stammte – lachten.
»Ich wollte damit sagen, Herr«, fuhr Vitellius fort, »dass ich nicht recht verstehe, warum der Kaiser es für angebracht hält, diesen ehemaligen Sklaven … seinen Sekretär zu entsenden, damit der sich persönlich des Problems annimmt. Als wenn die Armee nicht allein damit fertig werden könnte.«
»Es handelt sich um eine große Unternehmung«, entgegnete Vespasian. »Ich könnte mir vorstellen, dass Narcissus im Auftrag des Kaisers für deren reibungslosen Ablauf Sorge tragen möchte.«
»Gleichwohl ist das ungewöhnlich, Herr«, fügte Plinius leise hinzu.
Vespasian lehnte sich zurück. »Daran ist überhaupt nichts ungewöhnlich. Du kennst seinen Ruf – er ist eher taktlos denn böse. Narcissus wird zur Küste eskortiert, und das war’s dann. Falls er ein komplizierteres Spiel spielt, so weiß ich nichts davon. Aber vielleicht verfügt ja jemand in der Runde über Informationen, die mir vorenthalten werden. Nun?«
Niemand wagte es, ihm in die Augen zu sehen, entweder aus schlechtem Gewissen oder aus Angst, schuldbewusst zu wirken. Vespasian seufzte erschöpft. »Allmählich habe ich genug von der hohen Politik, meine Herren. Was immer die Zukunft für uns bereithalten mag, wir sind nun einmal Soldaten und an Befehle gebunden, die ich nach besten Kräften zu befolgen gedenke. Alle anderen Überlegungen solltet ihr beiseite schieben. Habe ich mich klar ausgedrückt? Gut! Ich glaube, es versteht sich von selbst, dass in dieser Angelegenheit strengste Geheimhaltung vonnöten ist. Sollte sich die Kunde von der Meuterei bei unseren Männern verbreiten, ist die ganze Armee so gut wie wertlos. Was dann geschieht, liegt in Jupiters Hand. Noch Fragen?«
Die
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