Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
da lag das Problem. Sosehr er sich auch bemühte, sich auf militärische Angelegenheiten zu konzentrieren, kam ihm doch immer wieder Lavinia dazwischen.
Am Abend, als die Zenturie gegessen und die Missetäter Zusatzdienst aufgebrummt bekommen hatten, trat gerade in dem Moment, als Cato gähnend die Arme streckte, ein Sklave in den flackernden Schein der Öllampen, die das Zelt des Zenturios erhellten. Der Sklave blickte sich suchend um, eine Nachricht an die Brust gepresst.
Macro sah vom Schreibtisch auf, wo die Früchte seiner frisch erworbenen Schreibfähigkeiten vom Verwaltungskram herausgefordert wurden, mit dem er niemals zurechtkommen würde. Er streckte die Hand aus. »Gib her!«
»Verzeihung, Herr«, erwiderte der Sklave, die Schriftrolle schützend an sich gedrückt. »Die ist für den Optio.«
»Auch gut«, meinte Macro. Neugierig schaute er zu, wie Cato das Siegel brach und die Nachricht entrollte. Er überflog den Inhalt, dann tunkte er die Feder in die Tinte und schrieb rasch eine Antwort. Er drückte die Schriftrolle dem Sklaven in die Hand und geleitete ihn aus dem Zelt.
»Warum so verstohlen?« meinte Macro.
»Das war nichts, Herr.«
» Nichts? «
Nichts, was dich anginge, dachte Cato, antwortete jedoch lächelnd: »Eine persönliche Angelegenheit, Herr. Das ist alles.«
»Eine persönliche Angelegenheit? Ich verstehe.« Macro nickte und lächelte aufreizend. »Das hat nicht etwa mit dem Sklavenmädchen zu tun?«
Cato errötete, froh über den orangeroten Schein der Öllampen, und schwieg.
»Hast du deine Arbeit für heute erledigt?«, fragte Macro anzüglich.
»Nein, Herr. Ich muss noch ein paar Proviantanforderungen fertig machen.«
»Das kann Piso erledigen.«
Piso blickte verärgert von seinem Schreibtisch auf.
»Verschwinde, junger Cato. Sofort. Aber überanstrenge dich nicht.« Er zwinkerte. »Denk dran, morgen hast du wieder einen langen Tag vor dir.«
»Jawohl, Herr.« Cato rang sich ein Lächeln ab, dann stürmte er mit brennenden Wangen aus dem Zelt.
»Junge Leute, wie?«, meinte Macro lachend. »Die Welt hat sich doch nicht verändert seit dem Anbeginn der Zeiten. Wirft dich ein bisschen zurück, was, Piso?«
»Wenn du meinst, Herr«, grummelte Piso, dann seufzte er über den ausgebreiteten Schriftrollen und blickte seinen Zenturio vorwurfsvoll an.
21
Vespasian massierte lächelnd die geröteten Abdrücke von Titus’ Zähnen an seinem Handgelenk. Dem kleinen Burschen fehlte es eindeutig an Disziplin. Er musste endlich aufhören zu beißen, andere Leute mit Gegenständen zu bewerfen und mit Sachen wegzurennen, die zu berühren ihm verboten war. Früher am Abend war der kleine Racker in eine Spätsitzung der Tribunen geplatzt. Er hatte unter dem Tisch herumgetollt, die Truhe mit den vertraulichen Papieren geplündert und war mit Claudius’ Schriftrolle weggerannt. Hätte Plinius ihm nicht den Zeltgang versperrt, wäre Titus entkommen. So aber packte der Tribun den Jungen, nahm ihn auf die Arme und gab ihn in die Obhut der verlegenen Flavia, die vom Zelt des Legaten herbeigeeilt war. Der Junge holte aus und traf Plinius am Kinn, als ihm seine Mutter gerade die Schriftrolle entwand. Gelächter brandete durchs Zelt, als die erschöpfte Mutter die Schriftrolle vorübergehend in den Falten ihres Gewands verlor, bevor sie sie dem Tribun reichte und mit dem sich windenden, kichernden Titus an der Brust wieder hinausging.
»Dürfte ich mal die Schriftrolle haben?«, fragte Vespasian in betont gleichmütigem Ton.
Nach einer flüchtigen – wenn auch verstohlenen – Musterung reichte Plinius sie dem Legaten zurück.
»Danke.« Vespasian verstaute sie eilig in der Truhe und wandte sich wieder den anstehenden Problemen zu. »Wie ihr wisst, gab es Gerüchte, wonach die sich in Gesoriacum sammelnde Armee kurz vor einer Meuterei steht. Heute Nachmittag habe ich eine Nachricht von General Plautius erhalten, die mir von einem Haussklaven überbracht wurde. Ich fürchte, an den Gerüchten könnte etwas daran sein.«
Er schaute hoch und begegnete den überraschten und besorgten Blicken seiner Offiziere. Einen Moment lang herrschte Stille, durchbrochen allein von Titus’ Gejohle, der in der Nähe spielte. Die Offiziere rutschten unruhig auf den Plätzen hin und her, waren doch viele Karrieren vom Erfolg der Invasion abhängig. Falls der Feldzug scheiterte, würde dies auf alle Beteiligten zurückfallen. Und was für diejenigen, welche politische Ambitionen verfolgten, noch schwerer
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