Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
Laster hatte, dann war es das Glücksspiel, und selbst darin war er gut – er spürte intuitiv, ob die Würfel für oder gegen ihn waren. Es fiel ihm leicht, Freundschaften zu schließen, besonders solche, die politisch von Nutzen waren, und er hatte eine strahlende Zukunft vor sich. Wer wusste schon, wie weit der Mann aufsteigen würde? Mit dieser Überlegung war Vespasian am wunden Punkt angelangt – der Mann war ein möglicher Rivale.
Und dann war da noch eine Sache. In der Nachricht der kaiserlichen Personalabteilung, die der unwissende Rekrut vor einigen Wochen übermittelt hatte, war die Geheimschrift verwendet worden, die Claudius mit Vespasian vereinbart hatte. Der Kaiser hatte Vespasian kurz davon in Kenntnis gesetzt, dass jemand aus der Festung am gescheiterten Staatsstreich beteiligt gewesen war, den Scribonianus im vergangenen Jahr angezettelt hatte. Sobald die überlebenden Verschwörer die Identität des Verräters preisgegeben hätten, werde Vespasian Anweisung erhalten, den Betreffenden unauffällig zu beseitigen. Ein hübscher Euphemismus, dachte Vespasian und lächelte schief bei dem Gedanken an die Methoden, mit denen die kaiserlichen Folterknechte den Gefangenen Informationen entlockten und sie unauffällig verschwinden ließen. Zum Trost schloss sich daran die Versicherung an, im Stützpunkt halte sich ein – wiederum ungenannter – kaiserlicher Spion auf, der Vespasian nach Kräften unterstützen werde.
Das alles war in Anbetracht der anstrengenden Vorbereitungen auf den großen Feldzug ausgesprochen ärgerlich. Wenn die Armee effektiv arbeiten sollte, musste sich ein Soldat auf militärische Ziele konzentrieren, nicht auf die hohe Politik. Doch von jetzt an würde er jeden seiner Offiziere mit einem gewissen Misstrauen betrachten, zumindest so lange, bis irgendein armes Schwein im Gefängnis von Mammertine den Widerstand aufgab und einen Namen nannte. Vespasian hoffte, dass Vitellius’ Name fallen würde. Damit wäre er seine gegenwärtigen Sorgen endlich los.
Vespasian schenkte sich frischen Wein aus dem Krug ein, den er über dem Kohlenbecken wärmte. Er nippte nachdenklich an der dampfenden Flüssigkeit und überlegte, wie schade es doch sei, dass er für Vitellius keine gefährlichere Unternehmung gefunden hatte, als ein Eingeborenendorf zu unterwerfen.
8
Das Pferd des Tribuns kam den Weg entlanggaloppiert. An der hintersten Zenturie riss Vitellius sein Pferd herum, streckte den Arm aus und zeigte auf den Hang am Dorf.
»Macro! Führ deine Männer im Laufschritt zurück!«
»Herr?« Macro war vorübergehend ganz verblüfft wegen des Befehls. Sein Blick folgte dem erhobenen Arm des Tribuns und schweifte rasch übers Dorf zu der Stelle, wo die Germanen über das flache Ackerland rannten.
»Mach schon, Zenturio!«, rief Vitellius. »Im Laufschritt. «
»Jawohl, Herr!«
»Und wenn du im Dorf bist, marschier geradewegs hindurch und sichere das Tor an der anderen Seite.«
»Jawohl, Herr!«
»Lass dich unter keinen Umständen aufhalten! Verstanden? «
»Herr.«
Während Macro sich zur Sechsten Zenturie umdrehte und den Befehl zum Abmarsch brüllte, riss Vitellius grob die Zügel herum, gab seinem Pferd die Fersen und galoppierte an der Kolonne entlang, die eine schneidige Kehrtwendung vollführt hatte und sich nun im Laufschritt zum Dorf wandte. Macro packte Cato beim Arm.
»Bleib in meiner Nähe. Was auch geschieht.«
Cato nickte.
»Nun gut, Männer, im Laufschritt. Mir nach!«
Macro führte die Zenturie den Weg entlang, ein kleiner Haufen japsender Legionäre, aus deren Mündern weiße Atemwölkchen emporstiegen, während sie zur anderen Dorfseite blickten und die Entfernung der auf sie zustürmenden Germanenhorde abschätzten. Selbst Cato konnte erkennen, dass der Gegner das Tor auf jeden Fall vor ihnen erreichen würde. Und was dann? Ein brutaler Kampf in den schmutzigen engen Gassen und der sichere Tod. Wenn auch nur ein Bruchteil von dem, was Posidonius über die Germanen geschrieben hatte, stimmte, wäre der Tod der Gefangenschaft vorzuziehen. Die Riemen klatschten und die Scheiden klirrten laut, und Cato, der die Technik, in voller Rüstung zu rennen, noch nicht hatte perfektionieren können, hatte Mühe, Schild und Speer festzuhalten und zu verhindern, dass ihm die Schwertscheide zwischen die Beine geriet. Zu allem Überdruss rutschte ihm auch noch der Helm in Einheitsgröße über die Augen, so dass er ihn mit einem Kopfschlenker wiederholt auf den Kopf
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