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Cato 01 - Im Zeichen des Adlers

Titel: Cato 01 - Im Zeichen des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Scarrow
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Er sah wieder vor sich, wie Flavia mit der Schriftrolle hantierte, die sie Titus abgenommen hatte. Jetzt war ihm klar, dass sie sie ausgetauscht hatte.
    »Herr, ich erwarte nicht, dass du jetzt gleich auf mein Angebot eingehst. Aber überleg es dir sorgfältig. Ich streite nicht ab, dass ich in vielerlei Hinsicht ziemlich leichtsinnig war. Vielleicht würde es mir trotzdem gelingen, Narcissus davon zu überzeugen, dass deine Anschuldigungen unbegründet sind oder sogar böser Absicht entspringen. Gleichwohl würde schon die leiseste Andeutung, ich sei nicht der verlässliche Helfer, für den er mich hält, meine Stellung sicherlich schwächen. Du siehst, solltest du dies alles wirklich an die Öffentlichkeit bringen, würden wir beide unter den Folgen zu leiden haben. Außerdem wäre ich gezwungen, mein Wissen über Flavia preiszugeben. Du wirst sicherlich einsehen, dass es ganz in deinem Interesse ist, über die Ereignisse der vergangenen Monate Stillschweigen zu bewahren.«
    Vitellius wartete auf Vespasians Antwort, doch der hatte den Blick niedergeschlagen, erfüllt von einer wachsenden Verzweiflung. Die letzten Äußerungen des Tribuns hatte er gar nicht mehr mitbekommen. Er stützte den Kopf auf die Hand, von den Enthüllungen am Boden zerschmettert.
    »Ach, Flavia …«, flüsterte er. »Wie konntest du das tun?«
    »Darf ich mich mit deiner Erlaubnis nun entfernen, Herr? Ich muss mich um meine Pflichten kümmern.« Vitellius erhob sich und wandte sich zum Gehen. »Ich verlasse mich darauf, dass Zenturio Macro keine weiteren Vorwürfe gegen mich erheben wird.« Vespasian suchte einen Moment nach Worten, um die Unterhaltung fortzusetzen. Nach Worten, die seine Scham und seine Angst ausgedrückt hätten – und seinen Zorn über die selbstgefällige Überheblichkeit des Tribuns. Nach Worten, die Vitellius in die Schranken verwiesen hätten. Doch es fiel ihm nichts ein, daher nickte er einfach in Richtung der Zeltklappe.

    Draußen saßen Cato und Macro auf einem Haufen Heu, das den Pferden des Stabes vorbehalten war. Macro war eingeschlafen, der Kopf hing ihm auf die Brust. Endlich konnte er seinem Ruhebedürfnis nachgeben. Sein lautes Schnarchen lenkte die missbilligenden Blicke der Ordonnanzen auf ihn, die im Hauptquartier ein und aus gingen. Mit seiner verdreckten Kleidung und Togodumnus’ angetrocknetem Blut im Gesicht und an den Händen bot der Zenturio einen jämmerlichen Anblick. Gleichwohl betrachtete Cato ihn voller Zuneigung, als er sich an die freudige Begrüßung erinnerte, die Macro ihm bei seiner Ankunft im Lager bereitet hatte. Das Zugehörigkeitsgefühl, das er während der Schlacht so deutlich empfunden hatte, dauerte an; auf einmal wusste er, wie es sich anfühlte, ein Legionär zu sein, eins mit seinen Kameraden und dem erbarmungslosen Leben, in das es ihn verschlagen hatte. Die Armee war jetzt seine Heimat, mit Leib und Seele gehörte er der Zweiten Legion.
    Und das war gut so, dachte er, als er hochschaute und den Blick eines der vielen Briten auffing, die schweigend im Gefangenenpferch hockten, nichts weiter als Kriegsbeute, die nach Rom verschifft und dort als Sklaven verkauft werden würde. Hätte sich sein verstorbener Vater nicht für ihn eingesetzt, wäre auch Cato noch immer ein Sklave gewesen, genau wie der arme Wilde im Pferch. Lebenslange Sklaverei unter schlimmsten Bedingungen war den Briten bestimmt. Etwas anderes als die mühselige Plackerei auf den Feldern einer großen Besitzung oder den etwas rascheren Tod als Kettensklave in einer Bleimine hatten diese unzivilisierten Gefangenen nicht zu erwarten.
    Und doch war etwas im Auge des Gefangenen, das von einem ungebrochenen Willen kündete, von dem Willen, um jeden Preis bis zum bitteren Ende zu kämpfen, von einem Feuer, das so lange brennen würde, wie auch nur ein einziger Mann die Waffen gegen die Eindringlinge erheben konnte. Cato wusste, dass ein langer, blutiger Kampf nötig sein würde, um dieses Volk zu unterwerfen.

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
»Under the Eagle«
bei Headline Book Publishing, London.

    Deutsche Erstveröffentlichung September 2003
    Copyright © der Originalausgabe 2000 by Simon Scarrow
    Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2003
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH

    Satz: DTP Service Apel, Hannover

    Verlagsnummer: 35911
    UH ⋅ Herstellung: Heidrun Nawrot
    eISBN 978-3-641-07895-9
    www.blanvalet-verlag.de
    www.randomhouse.de

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