Cato 03 - Der Zorn des Adlers
Camulodunums.
Dieses Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit. Auf einen Streich war plötzlich ein Viertel der Kundschaft, die die dortigen Lokalitäten frequentiert hatte, verschwunden. Wenn auch der Rest der Armee sich darauf vorbereitete, erneut gegen Caratacus und seine Verbündeten loszuziehen, würden all jene Gewerbe, die sich aus den Häfen Galliens in die Stadt ergossen hatten, wieder zum Kontinent zurückwandern. Macros Niedergeschlagenheit kam nicht ausschließlich daher, dass er nun keine Gelegenheit mehr hatte, die Stätten aufzusuchen, wo man Alkohol oder Frauen fand. Er hatte sich nicht im allerbesten Einvernehmen von Boudica getrennt.
Nach dem Abend, an dem Boudica und Nessa Prasutagus entschlüpfen konnten, waren ihre Verwandten fest entschlossen gewesen, alle weiteren Begegnungen mit römischen Soldaten zu unterbinden. Boudica und Macro hatten sich nur noch ein einziges weiteres Mal treffen können, und auch da nur kurz. Ein kurzes Stelldichein im stillen Winkel eines Stalls, von neugierigen Ponys und Rindern beäugt, die ihr Winterheu kauten. Macro hatte versucht, die Gelegenheit bestmöglich zu nutzen – und war für den Geschmack des Iceni-Mädchens dabei zu weit gegangen. Als Boudica spürte, dass seine Finger intimer wurden, als ihr lieb war, entwand sie sich seiner leidenschaftlichen Umarmung und verpasste ihm eine Ohrfeige.
»Wofür war denn das, verdammt?«, stotterte ein verdatterter Macro.
»Für welche Art Mädchen hältst du mich eigentlich?«, fauchte sie zurück. »Ich bin nicht irgend so ein billiges Flittchen. «
»Das hab ich auch nie behauptet. Ich wollte einfach nur das Beste aus der Situation machen. Ich dachte, du wärst dafür bereit.«
»Dafür bereit? Was soll denn das für eine Einladung sein?«
Macro zuckte die Schultern. »Die beste, die ich hinkriege. «
»Ich verstehe.« Boudica starrte ihn einen Moment lang wütend an, und Macro rückte verstimmt von ihr ab. Da gab Boudica nach, streckte die Hand aus und streichelte seine Wange. »Es tut mir Leid, Macro. Aber ich mag einfach nicht, dass diese ganzen Tiere zuschauen. Für meinen Geschmack ist mir das ein bisschen zu öffentlich. Nicht, dass ich nicht wollte, aber ich hatte mir etwas Romantischeres vorgestellt.«
»Was ist denn so unromantisch an einer Scheune?«, grummelte Macro.
An diesem Punkt war es zu einer ziemlich unvermittelten Abkühlung gekommen. Ohne ein weiteres Wort schob Boudica eilig Kittel und Umhang zurecht und packte ihre Brüste wieder ein. Mit einem letzten wütenden Blick auf Macro stand sie auf und stürmte aus der Scheune. Macro seinerseits war außer sich gewesen, auf diese Art verlassen zu werden, und wollte daher schon aus Prinzip nicht hinter ihr herlaufen. Jetzt bereute er das bitter. Bevor Camulodunum hinter einem niedrigen Hügelkamm verschwand, schaute Macro noch einmal bedauernd zurück. Irgendwo dort unter den schneebedeckten Strohdächern und der tief dahinziehenden Wolke von Holzrauch musste sie sich aufhalten. Er hatte so tiefe Gefühle für diese lebhafte Eingeborene entwickelt, dass er bei der geringsten Erinnerung an ihre Nähe vor Verlangen brannte. Er beschimpfte sich als romantischen Narren, wandte den Blick von der Stadt ab, ließ ihn über die schimmernden Helme seiner Zenturie wandern und schließlich auf seinem Optio ruhen.
»Was grinst du eigentlich so blöd?«
»Ich, Herr? Grinsen, Herr? Niemals, Herr.«
In den Reihen der Zweiten Legion wurde wild über den bevorstehenden Befehl spekuliert. Einige Männer fragten sich, ob die Legion vielleicht nach Caratacus’ Niederlage von der Insel abgezogen wurde. Die erfahreneren Legionäre hatten nur ein verächtliches Grunzen für solche Gerüchte übrig. Die Überfälle, mit denen die Briten die römischen Kräfte seit dem Herbst plagten, bewiesen ja, dass die Eingeborenen noch keineswegs geschlagen waren. Die Veteranen wussten genau, was sie bei diesem Feldzug erwartete: ein gefährliches, beschwerliches Unternehmen mit Vorstößen und Konsolidierungen im Angesicht eines verschlagenen Gegners, der aufs Genaueste mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut war und sich nur aus dem Hinterhalt wagen würde, wenn der Vorteil auf seiner Seite lag. Die Legionäre würden sich niemals sicher fühlen können. Möglicherweise würden die Männer, die in diesem Feldzug ums Leben kamen, den tödlichen Pfeil gar nicht heranschwirren hören, den Speer nicht sehen und auch nicht den Dolch, der sie auf einem Patrouillengang entlang der
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