Cato 05 - Beute des Adlers
»Für ihn ist das das Ende der Fahnenstange.«
»Ja«, flüsterte Macro. »Wenn es eine Gerechtigkeit gibt, dann schon.«
KAPITEL 15
E twas über eine Stunde später kehrten der Optio und die Lageraufseher mit Maximius zurück. Wie befohlen hatte Tullius die Legionäre zur Inspektion antreten lassen. Die Männer hatten die kurze Zeit genutzt, um sich so gut wie möglich herauszuputzen. Als Tullius den Kohortenkommandanten kommen sah, brüllte er den Befehl zum Antreten, woraufhin die Männer die Hacken zusammenschlugen, strammstanden und die Augen nach vorne richteten. Die Centurionen hatten sich mit ihren Optios und den Standartenträgern an ihrer Seite vor den Einheiten postiert. Als der Kommandant und die Eskorte herangekommen waren, fiel Cato auf, dass die Befragung den guten Maximius wohl ziemlich mitgenommen hatte. Er quittierte Tullius ’ formalen Salut mit einem Nicken und befahl ihm, sie wegtreten zu lassen, ohne auch nur einen Blick auf sie zu werfen.
»Kohorte! Wegtreten!«
Die Männer drehten sich um und gingen zu ihren Zelten zurück. Cato waren die missmutigen Mienen und das ärgerliche Flüstern, weil man sie ganz umsonst aufgescheucht und zur Inspektion befohlen hatte, nicht entgangen. Aber so war es eben in der Armee. Perioden hektischer Aktivität waren notwendig, wenn sie auch nur der Beschäftigung der Männer dienten. Immerhin mussten sie in der Lage sein, auf ihre Befehle jederzeit angemessen reagieren zu können. Natürlich waren die Männer immer noch hungrig und müde, und ihr Ärger war verständlich. Trotzdem …
Cato richtete seinen Rebholzstock auf zwei Soldaten, deren Bemerkungen bis zu seinen Ohren gedrungen waren. »Ruhe da!«
Die Männer – grimmige Veteranen – verstummten, warfen ihrem Centurio beim Weggehen jedoch noch einen verächtlichen Blick zu. Cato wurde von bitterer, kalter Wut erfüllt und war versucht, die Männer zurückzurufen und sie für diese Unverschämtheit zu bestrafen. Die Legionäre hatten, wenn schon nicht die Person ihres Vorgesetzten, dann zumindest die Rangordnung immer und überall ohne Ausnahme zu respektieren. Doch schon waren die beiden zwischen den übrigen Männern der Centurie verschwunden. Cato hatte den richtigen Augenblick verpasst. Er schlug den Stock hart in seine linke Handfläche und verzog das Gesicht über den Schmerz dieser selbst auferlegten Bestrafung für seine hoffnungslose Unentschlossenheit. Macro hätte sich die beiden sofort vorgeknöpft.
Cato drehte sich um und bemerkte, dass die anderen Centurionen auf Maximius zugingen, hinter dem noch immer die Lageraufseher warteten. Cato schlenderte ebenfalls hinüber. Im Nu verwandelte sich seine Selbstverachtung in besorgte Neugier. Die Centurionen bildeten einen Halbkreis um Maximius, der nach wie vor nur seine Tunika trug. Es war ihm sichtlich unangenehm, in dieser Aufmachung vor die Offiziere in vollem Ornat zu treten.
»Der Legat hat meinen Rücktritt akzeptiert. Jetzt will er mit euch persönlich sprechen. Der Optio wird einen nach dem anderen der Rangfolge nach aufrufen. Es ist keinem erlaubt, über seine Aussage mit den anderen zu sprechen. Habt ihr verstanden?«
»Ja, Herr«, antworteten die Centurionen mit gedämpfter Stimme. Tullius hob die Hand.
»Ja?«
»Was ist mit den Männern, Herr?«
»Was soll mit ihnen sein?«
»Werden sie heute noch gebraucht?«
»Nein. Lass sie wegtreten. Der Nachmittag steht zu ihrer freien Verfügung.«
Tullius wirkte unglücklich. Freizeit war ein selten gewährtes Privileg, in der die Legionäre ihre Ausrüstung reparieren konnten oder sich die Zeit mit Ausruhen, Reden oder Glücksspielen vertrieben. So beliebt diese freien Stunden bei den Legionären waren, so verhasst waren sie bei den Centurionen, die allgemein der Auffassung waren, dass sie der Härte und Disziplin ihrer Männer abträglich waren. Andererseits konnte sich der Offizier, der die Order dazu gab, bei den Männern beliebt machen.
»Zur freien Verfügung.« Tullius nickte. »Ja, Herr. Soll ich den Befehl sofort geben?«
»Nein, das mache ich selbst. Du begleitest den Optio.«
»Ja, Herr.« Tullius betrachtete die gleichmütigen Gesichter der Lageraufseher. Maximius, dem seine besorgte Miene nicht entgangen war, beugte sich vor, um im Vertrauen mit seinen Offizieren zu sprechen.
»Keine Sorge. Alles läuft so wie besprochen. Keiner von euch hat etwas zu befürchten. Sagt einfach die Wahrheit.«
»Centurio Tullius?«, rief der Optio und deutete auf die
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