Cato 05 - Beute des Adlers
um. Die Fassungslosigkeit auf den Gesichtern der Offiziere war Beweis genug, wie sehr Vespasian die Gepflogenheiten verletzt hatte, die bei derartigen Verhandlungen üblich waren. Der General starrte seinen Legaten so voller Wut und Überraschung an, dass er für einen Moment den Faden verlor. Dann räusperte er sich und wandte sich erneut den Schreibern zu.
»Nehmt ins Protokoll auf, dass der Legat nicht mit dem Verfahren einverstanden ist, nach dem diese Verhandlung durchgeführt wird. Zu einem späteren, noch festzulegenden Zeitpunkt wird sich eine weitere Untersuchung mit dem Vorwurf der unzureichenden Form dieser Verhandlung auseinandersetzen. Wir kommen zum Gegenstand der gegenwärtigen Untersuchung zurück. Anklagepunkt für Anklagepunkt. Centurio Maximius?«
»Ja, Herr?«
»Bestreitest du, deine Pflichten verletzt zu haben?«
»Ja, Herr.«
»Ja?«
»Wir sind so schnell wie möglich zur Furt marschiert, Herr. Beim Erreichen des Hilfstruppenlagers entschied ich, dass ein Vorrücken zu gefährlich war, solange uns eine feindliche Streitmacht in die Flanke fallen konnte. Wir verfolgten und vernichteten das Überfallkommando, bevor wir weiter zur Furt vorrückten, Herr. In Übereinstimmung mit unseren Befehlen.«
»Beruhte deine Entscheidung, diese Streitmacht sofort anzugreifen, allein auf taktischen Überlegungen?«
»Natürlich, Herr«, antwortete Maximius ohne zu zögern.
»Hat keiner deiner Offiziere versucht, dich davon abzubringen?«
»Ich erinnere mich an einen kurzen Disput, Herr. Es war nicht genug Zeit, um dem Betreffenden die Situation zu erläutern. Außerdem stellt der Befehl eines ranghöheren Centurio das Ende einer jedweden Diskussion dar.«
»Sehr richtig.« Plautius nickte und sah zu Macro hinüber. »Kommen wir zum zweiten Anklagepunkt. Centurio Macro, weshalb wurden vor der Ankunft des Feindes keine angemessenen Verteidigungsmaßnahmen getroffen?«
Macro riss seinen Blick von Maximius los, schluckte seinen Zorn hinunter und räusperte sich laut. »Weil mir dafür zu wenig Männer zur Verfügung standen, Herr. Außerdem haben wir kaum brauchbares Werkzeug im Hilfstruppenlager gefunden. Der Feind hat alles verbrannt. Als ich die Furt erreichte, hatten wir weder ausreichend Werkzeuge noch genügend Zeit, um einen Graben samt Erdwall anzulegen. Mir blieb nur, eine Barrikade auf der Insel zu errichten und angespitzte Holzpfähle in die Furt treiben zu lassen. Uns stand nur eine Handvoll Äxte zur Verfügung. Die Männer mussten das Holz mit ihren Schwertern hauen.«
»Na schön. Ich gestehe dir zu, dass unter diesen Umständen keine besseren Vorbereitungen möglich waren. Doch weshalb bist du zurückgefallen, bevor die Kohorte die Furt erreicht hatte? Waren die Verluste zu hoch?«
»Nein, Herr.«
»Wurdest du umzingelt?«
»Nein, Herr.«
»Wieso also hast du den Kampf abgebrochen und den Rückzug angetreten? Ich nehme an, dass du einen guten Grund dafür hattest.«
Macro wirkte überrascht. »Aber natürlich, Herr.«
»Bitte.«
»Die zweite Angriffswelle des Feindes hatte eine große Sektion unserer Barrikade zerstört. Die nächste Attacke war in Vorbereitung. Schwere Infanterie in einer Schildkrötenformation. Da wusste ich sofort, dass wir uns zurückziehen und uns mit Centurio Maximius ’ Truppen verbinden mussten, um wenigstens das Südufer halten zu können.«
»Eine Schildkrötenformation?« Plautius lächelte leicht. »Du behauptest also, sie hätten eine Schildkrötenformation gebildet?«
»Ja, Herr. Und gar keine schlechte.«
»Aber natürlich, Centurio. Jedenfalls gut genug, um dich in die Flucht zu schlagen.«
»Ich ergreife nie die Flucht, Herr«, knurrte Macro. »Hab ich noch nie und werde ich auch nie tun.«
»Was hast du dann getan?«
»Ich glaube, der Fachbegriff dafür lautet wohl › geordneter Rückzug ‹ .«
»Das werden wir ja noch sehen … « General Plautius konsultierte seine Notizen. »Letzter Anklagepunkt. Centurio Maximius, würdest du sagen, dass deine Männer die Verteidigung so gut aufrechterhalten haben, wie es in ihrer Macht stand?«
»Um ehrlich zu sein: nein. Nein, das würde ich nicht sagen. Die Männer waren müde, Herr. Wir haben die letzte Meile zur Furt im Laufschritt zurückgelegt und uns ohne Verschnaufpause direkt in die Schlacht gestürzt. Die Männer waren erschöpft und … nun, nachdem sie gesehen hatten, wie groß die Zahl der Feinde war, die am anderen Ufer darauf wartete, über uns herzufallen … «
»Ja?«
Maximius
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