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Catriona

Catriona

Titel: Catriona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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erwartet hatte; Ihr nahmt Euch aus – hoffentlich werdet Ihr nicht gar zu eitel – wie ein verflixt hübscher junger Mann, als Ihr dort oben am Fenster erschienet. Vergeßt nicht, daß sie Eure Füße nicht sehen konnte.« Letzteres fügte sie in beruhigendem Tone hinzu.
    »O!« rief ich, »laßt meine Füße in Ruh – sie sind auch nicht größer als die meiner Mitmenschen.«
    »Sie sind sogar kleiner als viele andere, aber ich spreche in Parabeln, wie die jüdischen Propheten.« »Dann wundere ich mich nicht, daß sie mitunter gesteinigt wurden! Böses Mädchen! Wie brachtet Ihr das nur übers Herz? Weshalb findet Ihr Vergnügen daran, mich durch einen flüchtigen Augenblick zu quälen?« »Die Liebe ist wie die Menschen; beide bedürfen einer gewissen Nahrung.« »O Barbara! Erlaubt, daß ich sie richtig spreche!« flehte ich. »Es steht in Eurer Macht – Ihr seht sie, wann es Euch beliebt; vergönnt mir eine halbe Stunde!« »Habt Ihr oder habe ich diese Liebesaffäre in die Hand genommen?« forschte sie und griff, als ich sie weiter mit Bitten bestürmte, auf ein unfehlbares Mittel zurück; sie imitierte den Ton meiner Stimme, als ich Catriona mit Namen rief. Ja, durch das gleiche Mittel hielt sie mich die nächsten Tage in Schach. Niemals fiel auch nur ein Wort von dem Memorial, wenigstens nicht von meiner Seite. Prestongrange und Seine Gnaden, der Lord Präsident mögen – was weiß ich – auf der tauben Seite ihres Kopfes davon gehört haben; jedenfalls behielten sie die Sache für sich – und die Öffentlichkeit wurde um keinen Deut klüger. Ja, der arme James von der Schlucht wurde im Laufe der Zeit, am 8. November, inmitten ungeheuren Sturms und Regens, zu Lettermore bei Ballachulish vorschriftsmäßig gehenkt. Das war also das Ergebnis meiner Politik! James war nicht der erste Unschuldige, der elend zugrunde ging, und viele Unschuldige werden noch bis an das Ende aller Zeiten (trotz unserer übergroßen Weisheit) zugrunde gehen. Und bis an das Ende aller Zeiten werden junge Leute, die die Doppelzüngigkeit des Lebens und der Menschen ungewohnt sind, wie ich weiterkämpfen und heroische Entschlüsse fassen und schwere Gefahren auf sich nehmen; und die Ereignisse werden sie beiseite schieben und wie eine sich vorwärts bewegende Armee ihren Marsch fortsetzen. James wurde gehenkt; trotzdem verweilte ich hier in Prestongranges Haus und fühlte mich ihm gegenüber für seine väterliche Sorge tief verpflichtet. James wurde gehenkt, und siehe da! – als ich Herrn Simon Fraser auf der Straße begegnete, zog ich vor ihm meinen Hut wie ein gehorsamer kleiner Schulbub vor seinem Lehrer. James wurde durch Betrug und Gewalt gehenkt, und die Welt ging ihren Gang weiter, und nichts war um ein Jota anders, und die Verbrecher in dieser scheußlichen Verschwörung waren ehrbare Familienväter, die den Gottesdienst besuchten und das Abendmahl einnahmen! Ich besaß jedoch meine eigene Ansicht von jenem widerlichen Geschäft – Politik –, ich hatte einen Blick hinter die Kulissen geworfen und hatte dort nichts als nacktes Gebein und Finsternis gesehen! Das genügte, um mich auf Lebenszeit von jeder Versuchung, mich an der Politik zu beteiligen, zu kurieren. Mein Ehrgeiz hatte sich einen geraden ruhigen, stillen Lebenspfad zum Ziel erwählt, wo ich mein Haupt ungefährdet aufrecht tragen und mein Gewissen vor Versuchung bewahren konnte. Aber rückblickend wollte es mir erscheinen, daß ich doch ziemlich kläglich gescheitert war; trotz der denkbar größten Reden und Vorbereitungen hatte ich nichts erreicht.
    Am 25. des Monats sollte von Leith aus ein Schiff in See stechen, und unversehens erhielt ich den Rat, mein Bündel zu schnüren und mich nach Leyden auf den Weg zu machen. Zu Prestongrange konnte ich natürlich kein Wort äußern; ich hatte lange Zeit von seinem Hause und seinem Tisch gezehrt. Aber seiner Tochter gegenüber war ich offener; ich beklagte mein Los, außer Landes gehen zu müssen, und versicherte ihr, wenn sie es zuvor nicht ermöglichte, daß ich Catriona Lebewohl sagte, würde ich mich in letzter Stunde weigern.
    »Hab ich Euch nicht meinen Rat erteilt?« forschte sie.
    »Das habt Ihr in der Tat, und ich weiß auch, wie tief ich in Eurer Schuld stehe und daß ich zu gehorchen verpflichtet bin. Aber Ihr müßt selbst zugeben: mitunter seid Ihr allzu lose, als daß man Euch völlig trauen könnte.«
    »Ich will Euch eines sagen. Seid um neun Uhr morgens an Bord; das Schiff fährt erst am

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