Catriona
Vater, an einen Ort namens Helvoetsluys, und von dort aus nach Frankreich, um mit unserem Häuptling das Exil zu teilen.«
Ich vermochte nur »O!« zu sagen; der Name James More genügte, um mir die Rede zu verschlagen.
Sie merkte das auf der Stelle und erriet einen Teil meiner Gedanken.
»Eines muß ich vor allem sagen, Mr. David. Ich glaube, zwei aus meiner Sippe haben nicht gut an Euch gehandelt. Der eine von beiden ist James More, mein Vater, und der andere ist der Herr von Prestongrange. Prestongrange wird sich selbst gerechtfertigt haben, oder seine Tochter hat es an seiner Statt getan. Und für meinen Vater, James More, möchte ich Folgendes sagen: er lag in Ketten im Gefängnis; er ist ein schlichter, ehrlicher Soldat und ein einfacher Hochlandsgentleman; worauf die anderen hinauswollten, hat er niemals erraten. Hätte er es jedoch gewußt, er hätte lieber den Tod erlitten als geduldet, daß einem jungen Gentleman wie Euch solches Unrecht geschehe. Und um all Eurer Freundschaft willen bitte ich Euch jetzt, meinem Vater und meiner Familie diesen Irrtum zu verzeihen.«
»Catriona,« entgegnete ich, »worin dieser Irrtum bestand, will ich niemals erfahren. Ich weiß nur das eine: Ihr seid zu Prestongrange gegangen und habt kniefällig um mein Leben gebeten. O, ich weiß genau, Ihr gingt um Eures Vaters willen; aber als Ihr dort waret, batet Ihr auch für mich. Zwei Dinge gibt es, die ich Euch nie vergessen kann: die guten Worte, die Ihr sprachet, als Ihr Euch meine kleine Freundin nanntet, und die Tatsache, daß Ihr um mein Leben flehtet. Zwischen uns beiden, Euch und mir, soll niemals wieder die Rede von Unrecht und Vergebung sein.«
Danach verharrten wir in Schweigen; Catriona betrachtete das Deck, und ich betrachtete sie, und noch ehe wir weiterredeten, sprang aus Nordwesten ein leichter Wind auf, die Mannschaft hißte die Segel, und der Anker wurde gelichtet.
Außer uns befanden sich noch sechs Passagiere an Bord; damit war das Schiff besetzt. Es waren drei solide Kaufleute aus Leith, Kirckaldy und Dundee, die alle in dem gleichen Unternehmen nach Süddeutschland reisten, ein Holländer, auf der Rückfahrt begriffen, und zwei brave Kaufmannsfrauen, deren Obhut Catriona anvertraut war. Mrs. Gebbie, so hieß die eine, hatte zum großen Glück ziemlich viel unter der Seekrankheit zu leiden und lag Tag und Nacht flach auf dem Rücken. Da wir, mit Ausnahme eines bleichgesichtigen Jungen, der meiner alten Pflicht, bei Tische aufzuwarten, oblag, die einzigen jungen Leute an Bord der »Rose« waren, blieben wir ziemlich viel allein. Bei Tisch saßen wir nebeneinander, und ich erwies Catriona mit größter Freude jede Aufmerksamkeit. Auf Deck bereitete ich ihr mit meinem Mantel ein weiches Lager, und da das Wetter für die betreffende Jahreszeit ungewöhnlich schön war, mit klaren, kalten Tagen und Nächten und einer stetigen, sanften Brise, zitterte auf der ganzen Fahrt durch die Nordsee kaum ein Segel, und wir saßen da (nur von Zeit zu Zeit auf und ab gehend, um warm zu bleiben) vom ersten Sonnenstrahl an bis acht oder neun Uhr nachts unter den hellen Sternen. Mitunter warfen uns die Kaufleute oder Kapitän Sang im Vorübergehen einen lächelnden Blick oder ein Scherzwort zu, die meiste Zeit jedoch waren sie eingehend in Gespräche über Heringe, Möbelkattune und Leinen vertieft oder berechneten die Länge der Fahrt und überließen uns unseren eigenen Angelegenheiten, die ja auch niemandem außer uns selbst wichtig dünkten.
Anfänglich hatten wir uns viel zu sagen und kamen uns dabei recht geistreich vor; ich gab mir erkleckliche Mühe, den Galan zu spielen und sie (wie ich glaube) die weltkluge, junge Dame. Aber bald wurden wir beide schlichter. Ich legte mein hochgeborenes, geschraubtes Englisch ab (sehr fest saß es ohnehin nicht) und vergaß meine Edinburger Reverenzen und Kratzfüße, und sie verfiel in eine Art Vertraulichkeit. Wir lebten zusammen wie Mitglieder einer Familie, nur bestand auf meiner Seite ein tieferes Gefühl. Gleichzeitig schien unseren Gesprächen gleichsam der Boden auszufallen, aber wir waren deswegen nicht weniger glücklich. Hin und wieder erzählte sie mir Altweibermärchen, von denen sie, vornehmlich durch meinen rothaarigen Freund Neil, eine erstaunliche Menge kannte und die sie wunderhübsch wiedergab. Wirklich waren es auch hübsche, kindliche Geschichten; aber mein größter Genuß war doch, ihrer Stimme zu lauschen und mir klarzumachen, daß sie mir erzählte, und
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