Catwalk in den Tod
es vielleicht nur Zufall, dass man ihren Körper mit einer Schaufensterpuppe beschwert hat?
Kaum bin ich von der Straße weg, fängt das Grübeln an. Zieht an dir hoch wie eine ausbrechende Grippe. Befällt das Hirn und hält alles auf Trab, was einen kleinen elektrischen Impuls abfeuern kann. Und dann arbeitet das und arbeitet und setzt sich in Falten im Gesicht ab. Ist ein richtiger Kreislauf. Irgendwann brauchst du Tages- UND Nachtcreme und das kostet Geld und dann musst du zum Liften und das kostet noch mehr Geld. Tja, und dann fällst du auch schon tot um und alles ist vorbei. So viel ist liegen geblieben, aber nun zack, Start frei zur nächsten Runde.
»Bitte?«, fragt meine duftende Pfirsichblüte.
»Ziemlich viel Trubel«, sage ich, weil, irgendetwas muss man in diesen Kreisen immer sagen.
»Alles hohl«, sagt sie. »Wenn meine Akupunktur-Praxis läuft, nehme ich ein langes reinigendes Bad. Und diese Leute sehe ich nur noch, wenn sie brav in meinem Wartezimmer sitzen und sich den steifen Nacken nadeln lassen wollen. Migräneanfälle haben natürlich Vorrang.«
»Ich bin lieber hohl im Kopf«, sage ich. »Jedenfalls immer noch besser, als wenn ich wegen Überfüllung da oben schließen müsste.«
Sie sieht mich nachdenklich an und schüttelt den Kopf. Der Polizist schlendert auf unseren Stehtisch zu. Die Außenseiter kommen am Ende immer zusammen. Auch Pfirsichblüte wittert das mit ihrem Näschen.
»Darf ich vorstellen? Das ist Kommissar Frederik Crohn von der Mordkommission und hier haben wir ...«
»Omen«, sag ich.
»Tag«, sagt der Kommissar. »Die Caipirinhas sollten Sie sich nicht entgehen lassen.«
»Ich hab den Alkohol aufgeben.«
Der Kommissar sieht in sein Glas.
»Billiger als ein Psychiater«, sagt er.
Vorn auf der Bühne fahren die Beleuchter die Scheinwerfer herunter. Die wehenden Papierfetzen an den Designerfackeln züngeln wie echte Flammen. Ein Vorhang wird angestrahlt und unter Fanfarenklängen hochgezogen. Panflöten erklingen, und die ersten Models erscheinen in wallenden Umhängen. Gleich vier schreiten den Catwalk, wie der Laufsteg hier heißt, entlang. Den Oberkörper leicht nach vorn gebeugt sehen sie so aus, als hätten sie sich gerade dafür entschieden, jemand ordentlich zu verhauen. Rauchschwaden steigen auf, dann ist Schluss mit der schmusigen »Ich-liebe-die-Anden-Musik«. Techno hämmert auf die Gäste ein, Lichtblitze werden abgefeuert. Die Frauen werfen ihre Umhänge ab und stehen nun in Minis und knappen Tops auf dem Laufsteg. Blankgezogene Waffen. Eine von ihnen hat nur eine ihrer Brüste bedeckt und die blonde Kollegin neben ihr lässt ihr Oberteil ganz herunterrutschen.
Der Kommissar nimmt einen kräftigen Schluck aus seinem Glas. Pfirsichblüte steht am Laufsteg und klatscht.
Wenn plötzlich die Scheinwerfer zucken, achtet man auch auf ganz andere Dinge. Zum Beispiel auf zwei finstere Burschen, die sich vor der Tür zur Garderobe aufgebaut haben. Der Lichtstrahl zuckt durch das Publikum und dann sehe ich sie.
Die beiden asiatischen Kinder stehen am Eingang und lachen. In weißer Bluse und weißem Hemd, die Haare hübsch zurecht gemacht. Aber trägt ein vielleicht elfjähriges Mädchen einen Minirock? Und ein Zehnjähriger eine schwarz glänzende Gummihose? Die Lippen des Mädchens leuchten grellrot.
Ein Spot wandert durch den Raum, kreist über den jetzt ausgelassenen Menschen. Rhythmisches Klatschen, laute Rufe. Der Spot taumelt wieder zur Tür. Die Kinder sind verschwunden.
»Erotische Gehirnwäsche«, sagt der Kommissar neben mir. »Wann kommen die Slips aus Zahnseide?«
Über den Catwalk marschieren jetzt andere Mädchen. Gezeigt werden Abendkleider, die keine Frau öffentlich tragen könnte, ohne eine Festnahme zu riskieren.
Eine halbe Stunde dauert die Show. Erstaunlicherweise sind Fotografen nicht zugelassen. Wahrscheinlich, weil es sich um eine obergeheime Versuchsschau handelt. Der Meister testet die Reaktion auf seine neuesten Kreationen. Wobei er total unglücklich aussieht. Und noch immer traut sich niemand in seine Nähe.
»Eigentlich müsste es zu jedem Kleid eine Packung mit Tabletten gegen Blasenentzündung geben«, meint Crohn.
In der Menschenmenge kann ich die Kinder nirgends entdecken. Aber zumindest weiß ich jetzt, hier bin ich richtig.
»Haben Sie tatsächlich tagaus tagein mit diesen Leuten zu tun?«, fragt der Kommissar.
»Meine Shows sind abwechslungsreicher«, sage ich. Aber wie soll ich ihm erklären, dass mein Catwalk
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