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Cécile

Cécile

Titel: Cécile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Bismarck.«
    Und bei diesem Selbstgespräche die Havanna aus der Hand legend, nahm er ein Couvert und adressierte mit großer Handschrift: »Dem Fräulein Clothilde von Gordon-Leslie, Liegnitz, Am Haag 3 a.« Dann schob er das Couvert wieder zurück, legte sich zwei kleine Bogen mit ›Hexentanzplatz‹ und ›Roßtrappe‹ zurecht und schrieb:
    »Meine liebe Clotho. Genau vier Wochen heute, daß ich mich von Dir und Elsy verabschiedete. Vier Wochen fort aus Eurem traulichen Heim, aber erst seit einer Woche hier, weil ich, als ich von Liegnitz nach Berlin zurückkehrte, Briefe vorfand, die mich in geschäftlichen Angelegenheiten erst nach Hamburg und dann nach Bremen führten. Um Euch wenigstens eine Andeutung zu machen, es handelt sich abermals um Legung eines Kabels. Von Bremen dann hierher, nach Thale, Thale am Harz, und nicht zu verwechseln mit einem gleichnamigen Kurort in Thüringen.
    Es gereut mich nicht, diesen entzückenden Platz mit seiner erfrischenden und stärkenden Luft gewählt zu haben, denn Luft ist kein leerer Wahn, was
der
am besten weiß, der ihre mannigfachen Arten an sich selber erprobt hat. Wir gehen einer totalen Reform der Medizin oder doch zum mindesten der Heilmittellehre entgegen, und die Rezepte der Zukunft werden lauten: drei Wochen Lofoten, sechs Wochen Engadin, drei Monate Wüste Sahara. Ja, selbst Malaria-Gegenden werden in kleinen Dosen verordnet werden, etwa wie man jetzt Arsenik gibt. Die große Wirkung der Luftheilmethode liegt in ihrer Perpetuierlichkeit – man kommt Tag und Nacht aus dem Heilmittel nicht heraus.
    Ein gut Teil dieser Heilmethode hab ich auch hier, und so fühl ich denn mehr und mehr die Verstimmung von mir abfallen, die mich, ohne rechten Grund, seit lange quälte. Nur bei Euch war ich frei davon. Die Partien und Ausflüge liegen hier wie vor der Tür, und so sieht man sich in der angenehmen Lage, Naturschönheit ohne jede Müh und Anstrengung genießen zu können. Daß es eine Schönheit kleineren Stils ist, schadet wenig. Ich bin oft genug bis 20 000 Fuß hoch umhergeklettert, um jetzt mit 2 000 vollkommen zufrieden, ja sogar eigens dankbar dafür zu sein. Ich liebe Weltreisen und möchte sie, wiewohl ich fühle, daß die Passion nachläßt, auch für die Zukunft nicht missen, aber ich bin andererseits kein Freund von Strapazen als solchen, und je bequemer ich den Kongo hinauf- oder hinunterkomme, desto besser. Ökonomie der Kräfte.
    Doch was Kongo! Vorläufig heißt meine Welt noch Thale, ›Hotel Zehnpfund‹, ein wundervoller Hotelname, bei dem man sich, wie auf dem Bilde ›Wo speisen Sie?‹, förmlich arrondieren fühlt und der sofort die Vorstellung weckt: hier ist es gut sein.
    Und diese Vorstellung täuscht auch nicht. Es ist hier in der Tat gut sein, appetitlich und unterhaltlich, letzteres besonders seit drei Tagen, wo sich, durch Eintreffen neuer Gäste, die Table d'hôte belebt hat. Unter diesen Gästen ist ein alter Emeritus, mit dem ich mich gleich anfänglich anfreundete, seit Dienstag aber hat er vor einer neuen Bekanntschaft einigermaßen zurücktreten müssen: Oberst St. Arnaud und Frau.
Er
, trotzdem er ›a. D.‹ ist (nicht bloß ›zur Disposition‹), Gardeoffizier from top to toe,
sie
, trotz eines languissanten Zuges, oder vielleicht auch um desselben willen, eine Schönheit ersten Ranges. Wundervoll geschnittenes Profil, Gemmenkopf. Ihre Augen stehen scharf nach innen, wie wenn sie sich suchten und lieber sich selbst als die Außenwelt sähen – eine Besonderheit, die, von Splitterrichtern, sehr wahrscheinlich ihrer Schönheit zum Nachteil angerechnet und mit einem ziemlich prosaischen Namen bezeichnet werden wird. Es gibt ihr aber entschieden etwas Apartes, und wenn ihre Beauté wirklich Einbuße dadurch erfahren sollte, was ich nicht zugeben kann, so doch sicherlich nicht ihr Reiz. Sie verzieht mich ein wenig, und zwar in einer ganz eigentümlichen Weise, der ich Coquetterie nicht zuschreiben und auch nicht ganz absprechen kann. Ich stehe vor einem Rätsel, oder doch mindestens vor etwas Unbestimmtem und Unklarem, das ich aufgeklärt sehen möchte. Und dazu, meine liebe Clothilde, mußt Du mir behülflich sein. Du weißt ja den Genealogischen halb und die Rangliste ganz auswendig, hast das Offiziercorps Eurer berühmten Garnison eingetanzt und kennst die nachbarlichen Wahlstätter Kadettenlieutenants, die sich so ziemlich aus allen Provinzen rekrutieren. Du mußt also was erfahren können. Daß er mehrere Jahre lang ein

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