Cécile
danach zu handeln. Aber wir sollten es wenigstens versuchen.«
Jedes dieser Worte tat ihr wohl, und in einem flüchtigen Zärtlichkeitsanfluge sich an ihn lehnend, sagte sie: »Wie du nur sprichst. Als ob ich eine Neigung hätte, den Kopf hängen zu lassen. Und du weißt doch das Gegenteil. Ach, Pierre, wir hätten uns statt der großen Stadt einen stillen Platz suchen sollen, da wär uns manch Bitteres erspart geblieben. Einen stillen Platz oder lieber gleich ein paar, um mit ihnen wechseln zu können. Wie leicht und gefällig macht sich hier das Leben. Und warum?
Weil sich beständig neue Beziehungen und Anknüpfungen bieten. Das ist noch der Vorzug des Reiselebens, daß man den Augenblick walten und überhaupt alles gelten läßt, was einem gefällt.«
»Und doch hat das ›Leben aus dem Koffer‹ auch seine schweren Bedenken. Man findet nicht jeden Tag einen perfekten Kavalier, der die Tugenden unsrer militärischen Erziehung mit weltmännischem Blick vereinigt. Du weißt, wen ich meine. Welche Fülle von Wissen, und dabei absolut unrenommistisch. Er hat einen entzückenden Ton; es klingt immer, als ob er sich geniere, viel erlebt zu haben.«
Sie nickte zustimmend und fuhr dann ihrerseits fort: »Du hast gestern, als ihr gemeinschaftlich das Fräulein vom Konzert her bis an das Hotel zurückführtet, noch ein Gespräch mit Herrn von Gordon gehabt. Ich stand am Fenster und sah euch den Kiesweg auf und ab promenieren. Erzähle. Du weißt, ich bin eigentlich nicht neugierig, aber wenn ich es bin...«
»Dann?«
»Dann de tout mon cour. Also was ist es mit ihm? Warum ging er in die weite Welt? Ein Mann von so guter Erscheinung und Familie, denn die Schotten sind alle von guter Familie. Wir hatten unter den Kavalieren am Hofe... Daher meine Kenntnis. Mir liegt sonst die Prätension fern, über schottische Familien unterrichtet zu sein. Also warum trat er aus der Armee?«
St. Arnaud lachte. »Meine liebe Cécile, du gehst einer grausamen Enttäuschung entgegen. Er schied aus der Armee...«
»Nun?«
»Einfach Schulden halber. In diesem Punkte beginnt seine Laufbahn als chevalier errant so trivial wie möglich. Er stand erst bei den Pionieren in Magdeburg, dann bei dem Eisenhahn-Bataillon unter Golz, einer Truppe, die sonst viel zu klug und zu gescheit ist, um sich durch Schuldenmachen auszuzeichnen. Aber jede Regel hat ihre Ausnahme. Kurzum, er konnte sich nicht halten und übersiedelte, wenn sich in solcher Lage von Übersiedlung sprechen läßt, nach England, woselbst er seine wissenschaftlichen Kenntnisse praktisch zu verwerten hoffte. Dies gelang ihm denn auch, und er ging Mitte der siebziger Jahre nach Suez, um hier, im Auftrag einer großen englischen Gesellschaft, einen Draht durch das Rote Meer und den Persischen Golf zu legen. Du wirst nicht orientiert sein, aber ich zeige dir's auf der Karte.«
»Nur weiter.«
»Etwas später trat er in persischen und, nach Beendigung einer unter seiner Oberleitung hergestellten Telegraphenverbindung zwischen den zwei Hauptstädten des Landes, in russischen Dienst. Es war gerade die Zeit, als Skobeleff, dessen du dich von Warschau her erinnern wirst, vor Samarkand seine Triumphe feierte. Später, als der Kriegsschauplatz wechselte, war er mit demselben General vor Plewna. Der wachsende Haß der Russen aber gegen alles Deutsche hat ihm schließlich den Dienst verleidet; er nahm den Abschied und hat das Glück gehabt, alte Beziehungen wieder anknüpfen zu können. Er ist in diesem Augenblicke Bevollmächtigter derselben englischen Firma, in deren Dienst er seine Laufbahn begann, und gerade jetzt mit einer geplanten neuen Kabellegung in der Nordsee beschäftigt. Hat aber den lebhaften Wunsch, in preußischen Dienst zurückzutreten, was ihm, bei Protektion an hoher Stelle, deren er sich erfreut, ganz zweifellos gelingen wird.«
»Und das ist alles?«
»Aber Cécile...«
»Du hast recht«, lachte sie. »Buntes Leben genug. Und doch find ich wirklich, daß einen Draht oder ein Kabel an einer mir unbekannten Küste zu legen (und welche Küste wäre mir nicht unbekannt) schließlich ebenso trivial ist wie Schuldenmachen.«
»Da bin ich doch neugierig, zu hören, was du geneigt sein möchtest,
nicht
trivial zu finden.«
»Nun beispielsweise den Regensteiner. Der ist doch um vieles romantischer. Und wenn es der Regensteiner nicht sein kann, nun denn, Abenteuer, Tigerjagd, Wüste. Verirrungen...«
»Geographische oder moralische?«
»Beide.«
»Nun, wer weiß, was er
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