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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Banknachbar gewesen. Cazaril hatte ein wenig von dem spritzenden Blut in den Mund bekommen, und er konnte es immer noch schmecken, wenn er den Fehler beging, daran zu denken – wie jetzt. Als der Pirat aufgebracht war, hatten die Seeleute aus Ibra die Roknari hinter dem Schiff hergeschleppt, an Seilen, die aus deren eigenen Eingeweiden gemacht waren. Manche lebten noch, als die großen Fische über sie herfielen. Einige der befreiten Galeerensklaven halfen währenddessen mit großem Eifer beim Rudern. Cazaril war dazu nicht mehr in der Lage. Nach der letzten Auspeitschung war der Kapitän des Roknari-Schiffes nahe daran gewesen, ihn als gebrochenen, nutzlosen Mann über Bord zu werfen. Nach seiner Befreiung konnte Cazaril nur noch auf Deck sitzen. Seine Muskeln zitterten hilflos, und er weinte.
    »Die freundlichen Ibraner brachten mich in Zagosur an Land, wo ich für einige Monate krank darniederlag. Ihr wisst, wie es Männern ergeht, wenn eine lange Belastung ganz plötzlich ein Ende findet. Sie können … ziemlich kindisch werden.« Er lächelte entschuldigend in die Runde. Nach seinem Zusammenbruch hatte er unter Fieber gelitten, bis sein Rücken halbwegs verheilt war. Dann bekam er die Ruhr, dann Schüttelfrost. Und die ganze Zeit war er Anfällen herzzerreißenden Schluchzens ausgesetzt gewesen. Er hatte geweint, wenn ein Tempelbruder ihm etwas zu essen brachte. Wenn die Sonne aufging. Wenn die Sonne unterging. Wenn eine Katze ihn erschreckte. Wenn man ihn zu Bett brachte. Jederzeit und ohne jeden Grund. »Ich kam in die Obhut des Siechenhauses von der Mutter Gnade, das zum Tempel gehört. Als ich mich ein wenig besser fühlte …«, als er nicht mehr bei jedem Anlass in Tränen ausbrach und die Akolythen des Tempels zu der Ansicht gelangt waren, dass er nicht verrückt, sondern nur ein wenig durcheinander war, „… als ich mich besser fühlte, gab man mir ein bisschen Geld, und ich bin hierher gewandert. Drei Wochen war ich unterwegs.«
    Totenstille im Gemach.
    Cazaril blickte auf und stellte fest, dass die Lippen der Herzogin vor Zorn zusammengepresst waren. Vor Erschrecken drehte sich ihm der leere Magen um. »Es war der einzige Ort, an den ich denken konnte!«, entschuldigte er sich rasch. »Es tut mir Leid. Es tut mir Leid!«
    Der Majordomus stieß die Luft aus und lehnte sich zurück. Er starrte auf Cazaril. Die Augen der Gesellschafterin waren weit aufgerissen.
    Mit zitternder Stimme erklärte die Herzogin: »Ihr seid der Kastellan dy Cazaril. Man hätte Euch ein Pferd zur Verfügung stellen müssen. Man hätte Euch eine Eskorte zur Verfügung stellen müssen!«
    In ängstlicher Abwehr schlug Cazaril die Hände zusammen. »Nein, nein, Hoheit! Es war … es war ausreichend.« Na ja, beinahe. Nach einem unsicheren Zwinkern erkannte er, dass der Zorn der Herzogin nicht ihm galt. Es schnürte ihm die Kehle zusammen, und der Raum verschwamm vor seinen Augen. Nein, nicht schon wieder, nicht hier … Eilig fuhr er fort: »Ich würde mich gern in Eure Dienste stellen, Herrin, falls Ihr Verwendung für mich habt. Ich muss gestehen, ich … bin zu wenig nutze. Zumindest im Augenblick.«
    Die Herzogin lehnte sich zurück, stützte ihr Kinn leicht auf die Hand und musterte ihn. Nach einer Weile merkte sie an: »Als Page habt Ihr recht gut die Laute gespielt.«
    »Ah …« Cazarils verkrümmte, schwielige Hände versuchten einen krampfartigen Augenblick lang, sich ineinander zu verbergen. Ein weiteres Mal lächelte er entschuldigend und legte die Finger kurz auf die Knie. »Heute wohl nicht mehr, Herrin.«
    Sie beugte sich vor, und ihr Blick ruhte für einen Moment auf seiner halb verstümmelten Linken. »Ich verstehe.« Sie setzte sich wieder zurück und schürzte die Lippen. »Wenn ich mich recht entsinne, habt Ihr sämtliche Bücher in der Bibliothek meines Mannes gelesen. Der Vorsteher der Pagen hat stets darüber geklagt. Ich habe ihn angewiesen, Euch gewähren zu lassen. Ihr wolltet Dichter werden, fällt mir ein!«
    Cazaril bezweifelte, dass seine rechte Hand noch einen Stift halten konnte. »Ich glaube, Chalion sind viele miserable Gedichte erspart geblieben, als ich in den Krieg zog.«
    Die Herzogin zuckte die Achseln. »Kommt schon, Kastellan, Euer Dienstangebot bringt mich in arge Verlegenheit. Ich bin mir nicht sicher, ob das armselige Valenda genug Posten zu bieten hat, Euch zu beschäftigen. Ihr wart ein Höfling … ein Hauptmann … ein Festungskommandant … ein Kurier …«
    »Ich war kein

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