Chalions Fluch
Höfling mehr seit der Zeit, ehe König Ias starb, Hoheit. Als Hauptmann half ich, die Schlacht bei Dalus zu verlieren.« Und verrottete im Anschluss für fast ein Jahr in den Kerkern des Königreichs von Brajar. »Als Festungskommandant … nun, die Burg wurde eingenommen. Als ich Kurier war, wurde ich beinahe als Spion gehängt. Zweimal!« Und dreimal gefoltert, unter Missachtung meiner Rechte als Gesandter, grübelte er trübsinnig. »Nun gut, ich weiß, wie man rudert. Und ich kenne fünf verschiedene Arten, aus Ratten eine Mahlzeit zu bereiten.«
Tatsächlich könnte ich in diesem Augenblick ein ausgiebiges Essen vertragen, und wenn es aus Ratten bestünde.
Er wusste nicht, was die Herzogin in seinem Gesicht las, als ihre scharfen alten Augen ihn eingehend studierten. Vielleicht Erschöpfung. Aber er hoffte, dass sie seinen Hunger bemerkte! Was das betraf, war er ziemlich sicher – schließlich lächelte sie spitzbübisch.
»Dann begleitet uns zum Abendessen, Kastellan, auch wenn ich befürchte, dass mein Koch Euch keine Ratte anbieten kann. Es ist nicht die rechte Zeit dafür, im friedlichen Valenda. Ich werde über Euer Ersuchen nachsinnen.«
Zum Dank nickte er schweigend, aus Angst, dass seine Stimme versagte.
Es war immer noch Winter; daher wurde die Hauptmahlzeit zu Mittag eingenommen, in aller Form in der großen Halle. Das Abendessen war ein kleinerer Happen und bestand wegen der Sparsamkeit der Herzogin aus dem Brot und Fleisch, das vom Mittagsmahl übrig geblieben war, doch waren es immerhin die besten Reste, ergänzt um eine großzügige Auswahl ihrer erlesensten Weine. In der flirrenden Hitze des Sommers hier auf der Hochebene wurde dieser Ablauf umgekehrt: Zu Mittag würde leichte Kost aufgetragen, während die Hauptmahlzeit nach Einbruch der Dunkelheit gereicht wurde, wenn die Baocier jeden Standes sich in ihre kühleren Innenhöfe zurückzogen und bei Laternenlicht speisten.
Sie saßen nur zu acht bei Tisch, in einem gemütlichen Gemach in einem neuen Gebäude nahe der Küche. Die Herzogin thronte am Kopf der Tafel und setzte Cazaril auf den Ehrenplatz zu ihrer Rechten. Verlegen stellte Cazaril fest, dass auf seiner anderen Seite Prinzessin Iselle saß; ihr gegenüber hatte Prinz Teidez Platz genommen. Cazaril fasste wieder Mut, als der Prinz die Wartezeit überbrückte, bis alle Platz genommen hatten, indem er mit Brotbällchen nach seiner älteren Schwester warf – ein Unterfangen, das seine Großmutter strikt unterband und das ihm beinahe ein rachsüchtiges Funkeln in den Augen der Prinzessin einbrachte, hätte ihre Gesellschafterin Betriz, die Cazaril schräg gegenüber saß, sie nicht rechtzeitig abgelenkt.
Lady Betriz lächelte Cazaril über die Tafel hinweg mit freundlicher Neugier zu, was Grübchen auf ihre Wangen zauberte, und schien zum Sprechen ansetzen zu wollen. Dann aber trat der Dienstbote zwischen sie beide und brachte ein Becken zum Händewaschen. Das warme Wasser war mit Zitronensaft parfümiert. Cazarils Hände zitterten, als er sie eintauchte und am feinen Leinenhandtuch abtrocknete. Er verbarg diese Schwäche, so rasch er konnte, indem er die Hände auf den Schoß legte. Der Stuhl ihm direkt gegenüber blieb leer.
Cazaril nickte in diese Richtung und fragte die Herzogin zaghaft: »Wird die Königinwitwe sich uns anschließen, Hoheit?«
Sie presste die Lippen zusammen. »Unglücklicherweise fühlt Ista sich heute nicht wohl. Sie … lässt sich ihre Mahlzeiten meist aufs Gemach bringen.«
Cazaril unterdrückte sein Unbehagen und beschloss, zu einem späteren Zeitpunkt jemand anders zu fragen, was der Mutter des Prinzen und der Prinzessin fehlte. Das kurze Zögern ließ darauf schließen, dass es sich um etwas Chronisches handelte, oder etwas Langwieriges, oder dass es zu schmerzvoll war, um darüber zu reden. Dank ihrer langen Witwenschaft blieben Ista die Gefahren weiterer Schwangerschaften erspart, die das Verderben vieler junger Frauen waren. Aber es gab auch noch all die beängstigenden weiblichen Störungen, die Frauen mittleren Alters befielen … Als zweite Frau des Königs Ias war Ista vermählt worden, als Ias bereits ein gesetzteres Alter erreicht hatte und sein Sohn und Erbe Orico schon erwachsen war. In der kurzen Zeit, die Cazaril vor Jahren am Hof von Chalion verbrachte, hatte er Ista nur aus der Ferne betrachten können. Sie wirkte glücklich, des Königs Ein und Alles, als die beiden frisch verheiratet waren. Ias war ganz vernarrt gewesen in das
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