Champagnerwillich: Roman
überdimensionalen Bücherregal stehen nur weiße Bücher. Etwas weiß hier vielleicht, aber ich bin keine Innenarchitektin. Vom Wohnzimmer geht es in die Edelstahl-Multifunktionsküche. Das sind diese Dinger, die selbstständig einkaufen, kochen und abwaschen.
Kategorischer Blick in den Kühlschrank: frische Erdbeeren, kleine grüne Oliven, ein Stückchen Camembert und französischer Orangensaft.
Hier werde ich bei meiner Inspektion von einem Ruf von der Dachterrasse unterbrochen.
»Jil, kommst du? Der Champagner wird warm. Und zieh bitte deine komischen Schuhe aus. Du machst mir sonst lauter Kratzer in das neue Parkett! Du kannst dir nicht vorstellen, was Handwerker heutzutage für Reparaturarbeiten verlangen.«
Hmmm?!? Komische Schuhe?
Ja nee, ist klar. Ich schmeiße meine Stilettos im hohen Bogen auf die weiße Couch. (Nachdem ich erst noch mal schnell mit ihnen drei Runden über das Parkett gehüpft bin. Wenn es um die Ehre von Sergio Rossi geht, liegt mir jegliche Art des guten Gerierens fern!)
Oh, mein Gott! Als ich auf der Terrasse ankomme, ahne ich, dass ich dem Himmel sehr nah sein muss. Hier stehen Palmen, die von kleinen Strahlern beleuchtet werden, und Tropenholzstühle mit weißen Bezügen. Links von mir liegt ein Pool, und bei dem Blick nach rechts müssen sich meine zugegeben extrem kurzsichtigen Augen anstrengen, um das Ende der Dachterrasse zu erkennen. Ich gehöre leider zu den Menschen, die starke Berührungsängste mit Kontaktlinsen haben und mit einer Brille aussehen wie Harry Potter. Und glauben Sie nicht Ihrem Optiker. Es ist KEINE Frage des richtigen Modells! Durch meine Kurzsichtigkeit verpasse ich ungefähr so oft Autobahnabfahrten, wie Kettenraucher ihr Feuerzeug betätigen oder Omas ihren Enkeln mit Spucke Flecken wegwischen. Aber man lernt immer wieder neue Stadtteile kennen.
Vorsichtig lehne ich mich über die Brüstung und bin erstaunt. Von hier oben kann man doch tatsächlich die Türme der Frauenkirche sehen. Das Münchner Rathaus schiebt seine Spitze in den sternklaren Himmel, und der Marienplatz im Herzen der Innenstadt ist von den Lichtern der Geschäftein ein warmes Gelb getaucht. Beeindruckt drehe ich mich um und sehe Nathan zu mir herüberwinken. In ungefähr drei Kilometer Entfernung. Er sieht wahnsinnig sexy aus, wie er mit seiner rechten, äußerst knackigen Pobacke auf der Liege sitzt, mit einer Hand den Champagner köpft und dabei langsam von unten zu mir hoch schaut. Diese Art von Blick trifft zielsicher den G-Punkt jeder Frau. Stars wie Brad Pitt oder George Clooney arbeiten wahrscheinlich jahrelang mit einem Personal Coach für diese ultimative G-Punkt-Geste.
»Du bist eine sehr interessante und wundersame Frau, Jil.« Für einen Moment sieht mich Nathan schweigend an. »Wie wär’s, wollen wir den Champagner im Pool trinken?«
»Äh ja, natürlich.« Moment. Ich soll in den Pool springen – nackt – bei dieser Beleuchtung? Vor meinem inneren Auge türmen sich Berge von Fleischklopsen auf.
»Du hast nicht zufällig frische Erdbeeren da?« Der Blick in fremde Kühlschränke lohnt sich fast immer!
»Doch. Warte einen Moment. Ich hole dir welche.«
Sehr gut. Ich habe ungefähr vier Minuten Zeit, bis Nathan den Weg von Pool über Wohnzimmer über Flur bis zur Multifunktionsküche und wieder zu mir zurückgelegt hat. Bis dahin muss ich grazil im Wasser planschen, da ich unmöglich einen Striptease vor diesem Men’s Health-Erste-Seite-Model machen kann. Mit dem Anblick meiner elefantösen Hüften und meines massiven Problems direkt unter der Wirbelsäule raube ich ihm wahrscheinlich auf ganz andere Weise den Atem. Das ist einer dieser Momente, in denen ich mich in meiner Oberschenkelhaut einfach nicht wohl fühle. Vor Süchtigkeiten-, äh, Süßigkeitenregalen in Supermärkten verliert dieses Gefühl jedoch komischerweise immer wieder stark an Wirkung.
In Panik streife ich alle Klamotten ab und werfe sie über eine Liege. Dabei fällt mir auf, dass mein BH schwarz undmein Slip türkis ist. Ich spüre, wie meine Wangen anfangen zu glühen und mein Herz laut pocht. Mit drei Schritten bin ich am Pool und stecke meine dicke Zehe ins Wasser.
Noch zweieinhalb Minuten.
Brrrrrr. Eiskalt. Wie auch sonst.
Überlege, ob ich mich vielleicht doch lieber wieder anziehen soll und Nathan sagen, dass ich eine Chlorallergie habe.
Noch eine Minute und dreißig Sekunden.
Ich suche nervös nach meinem Slip. Mein Herz schlägt lauter! Ich stehe nackt auf einer
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