Letzte Ehre
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Ich will ja nicht meckern, aber in Zukunft werde ich es mir genauer überlegen, bevor ich dem Freund eines Freundes einen Gefallen tue. Noch nie habe ich mir einen solchen Haufen Scherereien aufgehalst. Dabei wirkte am Anfang alles so harmlos. Ich schwöre, daß ich einfach nicht vorhersehen konnte, was da auf mich zukam. Ich bin ganz knapp dem Tod entronnen und — was vielleicht noch schlimmer ist (für alle anderen Zahnphobiker) - hätte um Haaresbreite meine beiden Schneidezähne ausgeschlagen bekommen. Zur Zeit bin ich stolze Trägerin einer faustgroßen Beule am Kopf. Und das alles für einen Auftrag, für den ich nicht einmal bezahlt wurde!
Auf die Angelegenheit aufmerksam gemacht wurde ich von meinem Vermieter Henry Pitts, in den ich, wie allgemein bekannt, seit Jahren verliebt bin. Die Tatsache, daß er fünfundachtzig ist (lediglich fünfzig Jahre älter als ich), konnte offensichtlich nie an der grundlegenden Wirkung seiner Anziehungskraft rütteln. Er ist ein Schatz und bittet mich nur selten um etwas, wie konnte ich also ablehnen? Vor allem, da sich seine Bitte auf den ersten Blick so harmlos ausnahm, ohne den geringsten Anschein der Ärgernisse, die folgen sollten.
Es war Donnerstag, der einundzwanzigste November, die Woche vor Thanksgiving, und die Hochzeitsvorbereitungen kamen langsam in Gang. Henrys älterer Bruder William sollte meine Freundin Rosie heiraten, die die schäbige Schenke in meinem Viertel betreibt. Rosies Restaurant hatte an Thanksgiving seit jeher geschlossen, und sie beglückwünschte sich selbst dafür, daß sie und William unter die Haube kommen konnten, ohne daß ihr ein Geschäft entging. Da die Zeremonie und die Feier im Restaurant abgehalten werden sollten, war eine Kirche überflüssig geworden. Rosie hatte einen Richter organisiert, der die Trauungszeremonie durchfuhren würde, und ging offenbar davon aus, daß seine Dienste gratis waren. Henry hatte sie aufgefordert, dem Richter ein bescheidenes Entgelt anzubieten, doch sie hatte ihn nur ausdruckslos angeblickt und so getan, als könnte sie nicht so gut Englisch. Sie ist gebürtige Ungarin und hat vorübergehende Ausfallerscheinungen, wenn es ihren Zwecken dient.
Sie und William waren fast ein Jahr verlobt, und es war Zeit, das große Ereignis auszurichten. Ich wußte noch nie genau, wie alt Rosie ist, aber sie muß an die siebzig sein. Da William auf die Achtundachtzig zuging, war die Formel »bis daß der Tod uns scheide« für sie statistisch bedeutsamer als für die meisten anderen.
Bevor ich den Auftrag, den ich annahm, genauer schildere, sollte ich wohl rasch ein paar persönliche Daten nennen. Ich heiße Kinsey Millhone. Ich bin amtlich zugelassene Privatdetektivin, zweimal geschieden und ohne Kinder oder sonstigen lästigen Anhang. Sechs Jahre lang hatte ich eine formlose Vereinbarung mit der California-Fidelity-Versicherung, für die ich im Austausch gegen Büroräume Brandstiftungen und Entschädigungsforderungen wegen fahrlässiger Tötung untersuchte. Seit mittlerweile fast einem Jahr, also seit Auslaufen dieser Abmachung, habe ich bei Kingman und Ives, einer Anwaltskanzlei hier in Santa Teresa, ein Büro gemietet. Wegen der Hochzeit hatte ich mir eine Woche freigenommen und freute mich auf Ruhe und Erholung, wenn ich nicht gerade Henry bei den Hochzeitsvorbereitungen half. Henry, der seinen Beruf als Bäcker schon lange nicht mehr ausübte, würde die Hochzeitstorte backen und außerdem für Speisen und Getränke auf der Feier sorgen.
Die Hochzeitsgesellschaft bestand aus acht Personen. Rosies Schwester Klotilde, die an den Rollstuhl gefesselt war, sollte Trauzeugin und Henry Trauzeuge sein, während seine älteren Brüder Lewis und Charlie als Zeremonienmeister fungieren sollten. Die vier — Henry, William, Lewis und Charlie (gemeinsam auch »die Jungs« oder »die Knirpse« genannt) — rangierten altersmäßig von Fünfundachtzig (Henry) bis hin zu Dreiundneunzig (Charlie). Ihre einzige Schwester Nell, mit ihren Fünfundneunzig noch äußerst rüstig, sollte eine der beiden Brautjungfern sein und ich die andere. Bei der Zeremonie wollte Rosie ein Sackkleid aus cremeweißem Organza und einen Kranz aus Schleierkraut um ihr seltsam gefärbtes rotes Haar tragen. Im Ausverkauf hatte sie einen Ballen glänzenden Baumwollstoff mit üppigem Blumenmuster erstanden... rosa-und mauvefarbene Zentifolien auf leuchtendgrünem Hintergrund. Der Stoff wurde nach Flint, Michigan, expediert, wo Nell drei ähnliche
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