Champagnerwillich: Roman
meinen ganzen Mut zusammengenommen, bin wild entschlossen in Viktors Büro gestapft und habe ihm meine Kündigung auf den Tisch geknallt!« Sarahs Augen blitzen. Wir halten den Atem an.
»Ich habe gedacht, jetzt rastet Viktor aus, schreit mich an, macht mir eine Szene oder so was.«
»Szenen machen doch nur Frauen«, unterbricht Mark sie, der postwendend mit strafenden Blicken von Luisa und mir wieder zum Schweigen gebracht wird.
»Aber stattdessen blickte Viktor mich mit großen Augen an und sagte, er könne nicht glauben, dass ich ihn verlassen wolle. Er wüsste nicht, was er ohne mich machen solle und wo er so schnell eine neue Buchhalterin/assistentin FÜR ALLES! hernehmen solle.«
»Das ist doch nicht zu fassen!«
»Und was hast du ihm geantwortet?«
»Nichts. Ich habe mich auf meinen Absätzen umgedreht und bin gegangen. Mein Gott, war das ein Gefühl! Ich habe zwar einen Mann verloren, aber ich habe endlich meine Ehre wieder.«
»Ich bin wirklich stolz auf dich.«
»Aber das Beste kommt noch. Ich habe mich selbstständig gemacht. Ab jetzt bin ich mein eigener Chef, ich habe mein eigenes Büro, und am Montag kommt mein erster Kunde!«
Ich bin wirklich erstaunt. Ich meine, ich war auch erstaunt, als Marc Jacobs Chefdesigner von Louis Vuitton wurde, aber das ist wirklich unglaublich. Also, Sarah ist wirklich eine Superfrau, und das ganz ohne Mann. Oder vielleicht gerade deswegen?
»Seit ich mich von alledem, was mich beherrscht hat, befreit habe, geht es mir so gut wie nie in meinem Leben!« Sarahs Augen füllen sich mit dem Glanz eines Feuerwerks.
»Also, darauf trinken wir«, sagt Luisa und bestellt eine weitere Magnumflasche Champagner.
Nachdem sich Unmengen von Champagner mit TOM YAM GUNG in meinem Magen vereinigt haben, torkle ich zur Toilette, immer noch überrascht über das, was ich da gerade gehört habe. Emotionale Beziehungen im 21. Jahrhundert sind anscheinend wie Männer mit Vokuhilafrisuren: fehlerhaft – missverständlich – und dringlichst überarbeitungswürdig! Mein Gott, am Ende muss das noch ganz abgeschafft werden. Na ja, so schlimm sind Vokuhilas nun auch wieder nicht.
Ich fixiere die schon etwas verschwommene Toilettentür, als ich plötzlich eine penetrant bekannte Stimme höre.
Wer ist das? Hmmm. Nachdenken. Nachdenken. Nachdenken. Ich kenne diese Stimme doch. Mein Gehirn durchsucht alle Dateien. Ohne Erfolg.
Doch als ich mich umdrehe, stockt mir der Atem. Mein Herz hört für Sekunden auf zu schlagen, und mein Gesicht nimmt vornehme Blässe an.
An einem Tisch am anderen Ende des Restaurants sitzt Cathalina von Ocupenga, und ihr gegenüber ihr ebenbürtiges, aber um zwanzig Jahre älteres Spiegelbild.
Die beiden diskutieren mit affektierten Gesten und gedämpfter Stimme.
Ich stehe wie angewurzelt da! Wahrscheinlich eine kurzzeitige Lähmungserscheinung. Könnte bitte irgendjemand kommen und mich einfach wegschieben?
Cathalina unterbricht ihre rege Diskussion und greift neben ihren Tisch.
Das BABY!
Sie nimmt ein Baby aus einer Kinderschale.
Rights Baby!
Meine Haare beginnen gegen die Schwerkraft zu arbeiten!
Cathalina hält ein winziges quiekendes Kind in einem Schlafsack in ihrem Arm. Kleine Babyfäuste gucken rechts und links hervor, und als Cathalina den Zipfel des Schlafsackes zur Seite nimmt, lacht mich ein verschlafenes Gesicht an.
Schlägt mein Herz noch? Ich höre es gar nicht mehr.
Mir wird schwindelig.
Herrje, ich muss mich setzen.
Ich meine, ich habe ja schon einiges getrunken heute Abend, aber dieses Baby, dieses Baby … Mir stockt der Atem, meine Füße fangen an zu kribbeln, Hitzewellen überschwemmen meinen Körper.
Geistesabwesend nehme ich einem Gast die Speisekarte aus der Hand, fächere mir Luft zu und schleiche mich zurück an unseren Tisch.
»Ihr glaubt es nicht!« Ich kann kaum sprechen und stürze ein Glas Champagner herunter.
»Jil, was ist denn los?«
»Ich, ich, ich war gerade auf dem Weg zur Toilette, da habe ich, ich, ich meine, Cathalina ist hier. Mit ihrer Mutter.«
»Was, hier im Spice & Rice?« Luisa und Sarah recken neugierig die Köpfe und inspizieren das Restaurant.
»Sie ist hier mit ihrer Mutter und dem Baby.«
»Oh, mein Gott! Das reicht. Jil, wir gehen!«
»Als ich vorbeikam, hat Cathalina es auf ihren Arm genommen, und dann hat mich das Baby mit verschlafenem Gesicht angelacht. Ich konnte mich nicht bewegen, so unfassbar war das.«
»Du darfst dir das nicht so zu Herzen nehmen, Süße. Wir alle bewundern
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