Champagnerwillich: Roman

verpacken die hier Nudelsalat in verschweißter Folie. Habe beim Aufreißen den Salat auf meinem weißen Leinenkleid und der Glatze des Fahrgastes neben mir verteilt. Erhielt sogar einen neuen Salat, den ich aber nicht essen durfte. Hat Fahrgast mit Glatze mir verboten! Er scheint etwas gereizt zu sein. Na ja, sind ja nur noch fünfeinhalb Stunden neben ihm.
    Habe weitere Nahrungsaufnahme vorsichtshalber verweigert und bin auf Martini umgestiegen.
    2. Tag
    Habe mich heute zum ersten Mal zum Bikram-Yoga begeben. Wir lagen aber nur auf unseren Matten herum und haben das spirituelle Ziel des Yoga erörtert. Muss feststellen, dass Yoga weniger mit Entspannung als mit der Vorantreibung meiner seelischen Entwicklung zu tun hat. Mein Geist darf nicht länger den Niederungen der Materie verhaftet sein und sollte auf die Suche nach innerem Frieden gehen.Yoga scheint sich langsam zu jeder Menge Arbeit zu entwickeln. Seltsamerweise stellt sich innerer Frieden bei mir nämlich immer ganz hervorragend im Zusammenhang mit den Niederungen der Materie ein.
    3. Tag
    Liege auf weicher Yogamatte und lausche sanften indischen Klängen. Beginne gerade den Zustand zu genießen, als Yogalehrerin anfängt, guruähnlich zu unserer Seele vorzudringen.
    »Begrüßen Sie den Tag mit einem wohltuenden Räkeln auf Ihrer Matte.«
    Ich räkle.
    »Stellen Sie sich dabei vor, dass die nächtlichen Schatten einfach von Ihnen abfallen.«
    Schatten? Was für Schatten? Konzentriere mich lieber weiter aufs Räkeln.
    »Dehnen Sie sich über die Fersen weit in den Raum hinein. Fühlen Sie sich wohlig wie eine Katze, die sich auf dem Rücken langsam hin- und herrollt.«
    Ich rolle also.
    »Lassen Sie Ihren Atem frei fließen, und machen Sie alle Geräusche, die Ihnen gut tun.«
    Ich fragte mich, was für Geräusche? Der Mann neben mir beantwortet meine Frage mit leidenschaftlich befreitem Grunzen und Stöhnen in meine Richtung. Mein Gott, wer braucht eigentlich Bora Bora, wenn er Bikram-Yoga in Bad Salzdetfurth haben kann?
    4. Tag
    Haben nun Übungslevel erreicht, an dem Bikram mit Yoga verbunden wird. War eben im Drehsitz und dehnte mich ausatmend konzentriert aus meiner rechten Flanke heraus, als ich intensiv zu schwitzen begann. Dehnen und entspannen ist wirklich ziemlich anstrengend. Ich dachte irgendwann, ich bekomme keine Luft mehr. Der Schweiß lief mir zwischen der Brust über den Bauch, und meine Haare klebten schließlich am Hinterkopf fest. Ich hechelte und keuchte, als ich einen wirbelsäulenwachen Wechsel in den Langsitz praktizierte. Was sagte unser Guru noch?
    »Der Unterschied zum klassischen Yoga im Gegensatz zu Bikram ist, dass wir unsere Übungen in einem mindestens um 32 Grad angeheizten Raum vornehmen! Das Immunsystem, Herz und Kreislauf erhalten so einen besonderen Kick. Ich sehe es in Ihren Augen, Frau Schöneberg, Sie lieben Schwitz-Yoga schon jetzt, was?« Schwitz-Yoga? Es gibt Worte, die hören sich in der Theorie schon schlecht an, aber in der Praxis sind tatsächlich noch Steigerungen möglich.
    5. Tag
    Heute haben wir den Reinigungsatem gelernt, mit dem man Müdigkeit und Anspannung einfach wegatmen kann. Freute mich sehr, habe nämlich Reinigungsatem nach halber Woche Yoga bitter nötig. Musste Arme gedehnt über oben nach hinten in die Verlängerung des Körpers führen, gähnen wie eine Löwin und einfach Atem kommen lassen. Konnte jedoch Müdigkeit und Anspannung trotz intensiver Bemühung nicht wegatmen, da mein Mattennachbar anscheinend nicht wirklich viel von Zahnpasta hält.
    6. Tag
    Ekliger, verschwitzter, zahnpastaverweigernder Mattennachbar zwinkerte mir bei Stand in den Hund immer so seltsam zu. Hoffte erst, er leide unter nervösen Zuckungen. Musste aber bei seiner Hilfestellung in den Fersensitz feststellen, dass Angst vor sexuellen Übergriffen durchaus berechtigt war. Habe erste selbstverteidigende Maßnahmen ergriffen und mich beim Abendessen durch alle Desserts vom Büfett durchgegessen. Hoffe, dass meine VORGETÄUSCHTE! Fresssucht ekligen, verschwitzten, zahnpastaverweigernden Mattennachbarn von weiteren sexuellen Übergriffen abhält.
    7. Tag
    Muss dringlichst aufhören zu essen! Habe festgestellt, dass vorgetäuschte Fresssucht schneller ihre Wirkung zeigt, als ich dachte. Meine Dolce-&-Gabbana-Dessous legen sich um meinen Körper wie der Bindfaden um die Kohlroulade. Und wer hat eigentlich Leggings erfunden?
    8. Tag
    Habe versucht, mich für andere selbstfindende Maßnahme anzumelden, um nerviger