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Charlie + Leo

Charlie + Leo

Titel: Charlie + Leo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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Zimmer, reiße meine Schultasche auf und ziehe den Zettel mit dem Stundenplan heraus. Okay, dann mal los. Ich setze mich an meinen Schreibtisch.
    »Charlie?«
    Die Stimme meines Vaters ertönt draußen auf dem Flur.
    Mist, den kann ich gerade mal so überhaupt nicht brauchen.
    »Charlie, bist du da?«, ruft er. »Ich dachte, ich hätte die Tür gehört!«
    »Ja, ich bin hier!«, rufe ich zurück. »Hab aber gerade überhaupt keine Zeit!«
    Meine Zimmertür öffnet sich. Mein Vater kommt herein.
    »Na, du«, sagt er. »Den ersten Schultag gut überstanden?«
    »Ja, alles bestens«, antworte ich.
    »Schön, schön. Und was hast du da so Dringendes zu erledigen? Habt ihr etwa schon Hausaufgaben auf?«
    »Nein«, sage ich. »Es geht um ein Mädchen.«
    »Oho, ein Mädchen! Ist es hübsch?«, will mein Vater wissen.
    »Sie sieht aus wie der Tod, nur mit roten Haaren«, antworte ich.
    »Das klingt allerdings sehr verlockend. Deine Mutter hatte auch rote Haare, als ich sie kennengelernt habe.«
    Mist, ich habe ihn an Mama erinnert, das wollte ich nicht. Er wird meistens sehr melancholisch, wenn er an sie denkt. Ich glaube, er liebt sie immer noch, hat auch nie etwas mit einer anderen angefange n – mal ganz davon abgesehen, dass es sowieso keine auf Dauer mit ihm aushalten würde.
    »Ich weiß«, sage ich. »Hast du schon mal erzählt.«
    »Ja, das waren schöne Zeiten damals«, seufzt er.
    Er starrt einen Moment verloren im Damals vor sich hin, dann fängt er sich wieder und schaut auf den Zettel, der vor mir liegt.
    »Und was hat der Stundenplan mit deinem Mädchen mit den roten Haaren zu tun?«, fragt er.
    Mein Mädchen mit den roten Haaren. Das hört sich irgendwie verdammt gut an. Danke, Paps.
    »Da steht ihre E-Mail-Adresse drauf«, erkläre ich. »Aber sie hat leider eine Sauklaue und ich muss das erst mal entziffern.«
    »Aha, verstehe«, sagt er. »Soll ich dir helfen?«
    »Danke, aber das muss ich selbst machen.«
    »In Ordnung«, sagt mein Vater und dreht sich zur Tür. »Ich wünsche dir viel Erfolg.«
    »Danke«, sage ich. »Wie sieht’s denn mit Essen aus? Hast du Hunger?«
    »Keine Ahnung«, antwortet er. »Vielleicht. Du? Soll ich uns was kochen?«
    »Nein!«, erwidere ich schnell. »Das mach ich schon! Aber lass mich das hier erst erledigen, okay?«
    Es ist nicht etwa so, dass mein Vater nicht kochen kann, im Gegenteil. Das ist eine der wenigen Sachen im Haushalt, die er wirklich gut kann. Aber danach sieht die Küche immer aus, als hätte dort die Olympiade der Selbstmordattentäter stattgefunden. Wenn mein Vater Essen zubereitet, brauche ich zum Saubermachen länger als er fürs Kochen.
    »Gut, sag einfach Bescheid, wenn du so weit bist«, sagt mein Vater und schließt die Tür hinter sich.
    Okay, also los. [email protected]. Das ergibt überhaupt keinen Sinn, das muss etwas anderes heißen.
    Gehen wir das Ganze doch mal strikt analytisch an. Woraus bestehen Mailadressen normalerweise? Aus Namen, genau. Vorname, Nachname, irgendwas in diese Richtung. Also, Leonie König. Oder wahrscheinlich doch eher Leo, Mailadressen sucht man sich im Allgemeinen selbst aus, nicht die Eltern. Dann könnte das erste vielleicht »leo« heißen? Aber »ding« steht auf keinen Fall für »koenig«, dazu ist es zu kurz. Hing? Sing? Fing? King? Genau! Das ist es! King! Englisch für König! leokin g – Leo König. So weit, so gut. Jetzt zum Rest. Es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass es einen Internetprovider gibt, der sich Humbug-Omlette nennt. Was aber könnte das sonst bedeuten? Humbug. Hombug? Homburg? Hamburg! Yes, das muss es sein! Sie kommt ja aus Hamburg, also hat sie sich mit Sicherheit auch dort ihre Mailadresse eingerichtet. Und das heißt dann natürlich nicht »omlette«, sondern »online«! Mann, da muss man erst mal drauf kommen. [email protected], das ist also der elektronische Wegweiser zu meiner Traumfrau.
    Ich klebe Leos Adresse mit einem Streifen Tesa an den oberen Rand des Monitors, ziehe meinen Zeichenblock aus der Schublade und schnappe mir einen Stift. Los geht’s. Aber was soll ich zeichnen? Und was will ich eigentlich damit erreichen? Klar, ich will erreichen, dass sie sich in mich verliebt. Nein. Ich will erst mal nur erreichen, dass sie sich in den anonymen Zeichner eines sensationellen Bildes verliebt.
    Ja, schon klar, sie wird sich bestimmt nicht wegen eines einzigen Bildes in ihn verlieben. Aber es muss sie auf jeden Fall neugierig machen, damit ich ihr noch eins schicken

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