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Charlotte

Charlotte

Titel: Charlotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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er.
    »Nein, überhaupt nicht.« Ihr Lächeln erstarb, als sie seine Frage begriff. »Meinen Sie wegen der Leute?« Sie aß von ihrem Eis. »Wir haben immer offen darüber geredet. Als ich klein war, verstand ich nicht, warum Leonoor immer nach Amsterdam ziehen wollte, aber heute ist es mir natürlich klar. Dort wäre es einfacher gewesen, zumindest normaler. Aber Eis wollte nicht mehr in der Stadt wohnen. Außerdem hatten sie kein Geld und das Boot kostete nichts und lag nun mal hier. Aber Leonoor hatte wahrscheinlich Recht, zwei Frauen mit einem Kind fallen in Amsterdam weniger auf als in Oosterbeek.«
    »Also hast du darunter zu leiden gehabt?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Zu Hause nicht. In der Schule ein bisschen. Ich hatte nur wenige Freundinnen, die meisten Eltern hätten den Umgang mit mir sowieso nicht erlaubt. Die Leute tuschelten über Eis und Leonoor, aber die konnten damit umgehen, denn sie hatten ja sich.«
    »Ach ja?«
    Sein Tonfall ließ sie misstrauisch die Stirn runzeln. »Natürlich. Darf ich Ihnen mal ganz offen etwas sagen?«
    »Bitte.«
    »Sie haben dieselben Vorurteile wie die meisten Leute, die selbst in einer normalen Ehe, einer normalen Familie leben. Aber das heißt noch lange nicht, dass zwei Frauen oder zwei Männer nicht miteinander glücklich sein können oder dass ihre Beziehung weniger wertvoll wäre.«
    Runing lächelte entschuldigend. »Du hast Recht, es tut mir Leid. Es liegt sicher daran, dass ich deine Mutter ganz anders gekannt habe.«
    »Sie war bisexuell, und irgendwann erkannte sie, dass sie am liebsten mit Leonoor zusammen war«, sagte Charlotte.
    Es klang wie die normalste Sache der Welt, und Runing wurde klar, dass es für sie tatsächlich ganz natürlich war und sie durch ihre beiden Mütter an all diese Phrasen und Argumente gewöhnt war. Er fragte sich, ob es Leonoor auch damals schon gegeben hatte, und ihn durchfuhr ein seltsamer Stich vor Eifersucht oder gekränktem Stolz. Er wusste, dass Elisabeth damals mit einer Freundin zusammengewohnt hatte. Vielleicht war Leonoor diese Freundin gewesen, doch er beschloss, nicht nachzuhaken, und schob die Frage beiseite.
    »Hast du die beiden schon immer Eis und Leonoor genannt?«, fragte er. »Oder auch Mutter?«
    »Nein, immer bei ihren Vornamen. Eis bestand darauf.« Sie dachte nach. »Heute glaube ich, sie wollte damit verhindern, dass ich Leonoor auch Mutter oder Mama nannte.«
    »Weil sie deine richtige Mutter war. Hat sie nie über mich gesprochen?«
    »Nicht mit mir.«
    »Was hast du denn dann geglaubt, ich meine …«
    »Wer mein Vater war? Als ich klein war, dachte ich gar nicht darüber nach, später natürlich schon. In einer alten Ausgabe der Zeitschrift Vrij Nederland entdeckte ich Anzeigen, in denen Frauen einen Samenspender suchten. Daraufhin habe ich gefragt, ob mein Vater so einer gewesen sei. Sie haben gelacht und Leonoor antwortete: ›Das stimmt, ein Samenspender.‹«
    »Und das war alles?«, fragte er ungläubig.
    »Samenspender wollen wohl meistens anonym bleiben.«
    Runing dachte über die bittere Ironie nach, dass das Kind sich mit dieser Antwort zufrieden gegeben hatte und dem Paar damit selbst dazu verholfen hatte, nie wieder über dieses Problem reden zu müssen. Charlotte musste sich ziemlich betrogen gefühlt haben, als sie entdeckt hatte, dass ihr ihre beiden Mütter seinen Namen all die Jahre verschwiegen hatten.
    »Und du hattest diese Geburtsurkunde noch nie zuvor gesehen?«
    »Nein, Leonoor hat die Urkunde erst jetzt angefordert.«
    »Das kann ich kaum glauben. Die braucht man doch, wenn man zum Beispiel einen Pass beantragt?«
    »Ich besitze keinen Pass. Leonoor hat sich immer um den Papierkram gekümmert.«
    »Und sie hat also die ganze Zeit davon gewusst«, sagte er.
    Sie schlug die Augen nieder. »Ja.«
    »Und deine Mutter auch«, konnte er sich nicht verkneifen hinzuzufügen.
    Charlotte nickte und sagte mit etwas gepresster Stimme: »Ich habe Leonoor gefragt, warum, ich meine, warum sie es mir nie erzählt haben. Sie entgegnete, wir seien auch ohne Vater eine glückliche Familie gewesen und Sie hätten selber Frau und Kinder und wollten anonym bleiben.«
    Die einfachere Erklärung war seiner Meinung nach, dass hier etwas oberfaul war und die beiden Frauen nur zu gut wussten, dass er das sofort herausgefunden und angeprangert hätte. »Aber warum hat sie dich dann jetzt zu mir geschickt?«, fragte er. »Wegen der finanziellen Probleme?«
    Die Frage brachte sie in Verlegenheit. Sie

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