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Charlotte

Charlotte

Titel: Charlotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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bedauernswerter Unfall abgetan worden war. Sie wusste, dass es nicht die Spur eines Beweises gegen sie gab.
    »Wir haben Runing niemals erpresst«, sagte sie. »Mir scheint, das allein ist schon Beweis genug, dass diese Frau Unsinn redet. Außerdem ist es sowieso egal. Sie haben sicher bereits festgestellt, dass es uns finanziell schlecht geht. Ich lebe von der Sozialhilfe und Charlotte verdient kaum genug, um ihre eigene Kleidung zu bezahlen. Sie haben das Hausboot gesehen, und Charlotte wollte immer studieren.« Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, als sie beschloss, die Pokerkarte menschlicher Schwäche auszuspielen: »Natürlich leugne ich nicht, dass sich auch mein Leben verbessert, sobald sie ihr Erbe ausbezahlt bekommt.«
    »Haben Sie dahingehend Abmachungen mit ihr getroffen?«
    »Abmachungen? Warum? Ich bin ihre zweite Mutter und ich zähle darauf, dass sie ihrer Pflicht als Tochter nachkommen wird, selbst wenn sie sich im Moment ein wenig aufsässig verhält.« Sie wies mit einem Nicken auf die geschlossenen Terrassentüren. Der Garten war groß. Es gab Treibhäuser, Pergolen und einen Swimming-Pool und Charlotte und Heleen waren nirgends zu sehen.
    »Es könnte sein, dass sie noch aufsässiger wird, wenn sie erfährt, wie sie an dieses Erbteil gekommen ist«, meinte ich.
    »Ich habe mich um alles gekümmert«, entgegnete sie. »Wer sonst hätte das für sie tun sollen?«
    »Für Charlotte?«, entgegnete ich mit nachdenklichem Gesicht, schüttelte den Kopf und schaute verstohlen auf meine Armbanduhr. Wasman hätte längst da sein müssen. Ich dachte, ich hätte ein Auto gehört, aber es hätte auch das ferne Grollen des Gewitters sein können, auf das die Natur wartete. »Charlotte ist in eine merkwürdige Situation geraten«, sagte ich. »Sie tut mir Leid. Schließlich wusste sie von nichts, oder?«
    »Natürlich nicht, sie war ja noch ein Baby.«
    »Ich meine später«, sagte ich. »Als Sie ihr verkündeten, wer ihr Vater war.«
    »Das habe ich Ihnen doch schon zu erklären versucht.« Die Gereiztheit kehrte wieder. »Ich hatte gehofft, dass dieser Mann ihr helfen würde. Ein Vaterschaftstest wäre Beweis genug gewesen. Worauf warten wir eigentlich?«
    »Aber Sie hätten wenig davon gehabt, wenn nur Charlotte Unterstützung erhalten hätte. Runing hätte ihr vielleicht das Studium finanziert, ihr ein Zimmer in der Stadt bezahlt, aber dann ginge es jetzt nicht um ein Erbteil oder einen Vergleich über eine Million Euro. An so etwas kommt man erst, wenn jemand tot ist.«
    Leonoor runzelte die Stirn und sagte: »Charlotte ist traurig darüber.«
    Ich nickte. »Womöglich kommt noch ein Schock hinzu, wenn sie erfährt, dass Sie mit Stef Molenaar befreundet waren.«
    Sie zog die Stirn noch krauser. »Stef Molenaar?«
    »Mir war nicht auf Anhieb klar, wer Leo & Eis in seinem Adressbuch waren. Ich dachte, vielleicht ein befreundetes Ehepaar. Stef notierte sich keine Adressen und die Polizei sah wahrscheinlich wenig Nutzen darin, die Nummern durchzugehen, schließlich war der Mörder gefasst. Sie sind doch öfter im Dorianclub in Utrecht gewesen? Auch mit Elisabeth?«
    Sie steckte die Hände in die Jackentaschen, stemmte sich mit dem Rücken an die Sofalehne und sagte: »Ach, den Stef meinen Sie.«
    Ich nickte wieder. »Den Stef mit der Mauser.«
    Sie fühlte sich allmählich in die Enge getrieben. »Na und? Er hat mir die ganze Geschichte erzählt, von seiner Mutter und ihrem Hotel in Amersfoort. Ich würde das nicht in Gegenwart der Witwe sagen, aber Runing war ein Mistkerl, der über Leichen ging. Ich konnte durchaus verstehen, dass Stef ihn umbringen wollte.«
    »Und seine Geschichte passte Ihnen gut ins Konzept«, sagte ich.
    Leonoor drehte sich zu mir um. Ihr Gesicht ähnelte allmählich einer Bintje vom letzten Jahr. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Ich meine, dass für Sie die Sache damit praktisch unter Dach und Fach war«, fuhr ich fort. »Sie hatten viel gemeinsam, nicht nur die Liebe zur Jagd, sondern auch den Hass auf Runing. Molenaar redete ständig von ihm und so erfuhren Sie alles über diesen Mann, unter anderem, wo er Golf spielte. Die Nachbarn haben Sie regelmäßig bei Stef ein und aus gehen sehen. Sie wussten, wo sein Haustürschlüssel lag …«
    Ihr Gesicht war verzerrt. »Sie glauben doch nicht, dass ich ihn zu irgendetwas angestiftet habe?« Ihre Stimme klang unsicher.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube, Sie haben ihn nur benutzt.«
    »Das ist Unsinn«, antwortete sie.

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