Chili und Schokolade
alberne Obstschale mit den fünf abgezählten Äpfeln habe ich gegen einen Stapel Zeitschriften und Kochbücher aus Bertrams Verlag ausgetauscht. Und aus unzähligen Silberrahmen lachen mich jetzt die Zwillinge an.
Gerade bin ich mit den letzten Vorbereitungen für unser Weihnachtsessen beschäftigt, als der Türsummer ertönt.
Auf dem Überwachungsmonitor erkenne ich einen kleinen Tannenbaum, geschmückt mit silbernen Schleifen und pinken Rosenblüten in allen möglichen Schattierungen. Dahinter taucht Bertrams übermütiges Gesicht auf.
«Ich bin etwas zu früh. Aber ich wollte dich nochmal allein sehen und dir für das vergangene Jahr danken, Eve», flüstert er mit rauer Stimme, als ich die Tür öffne. «Und wie du siehst, bringe ich für dich sogar Nadelbäume zum Blühen!»
Lächelnd stecke ich meine Nase in die zartduftenden Rosenblüten, deponiere das Bäumchen auf dem Küchenblock und umarme ihn aus einem plötzlichen Impuls heraus. Er drückt mich fest an sich. Die Luft knistert, und mein Herz klopft so stark, dass ich mich verlegen aus der Umarmung löse.
Doch ehe ich etwas erwidern kann, zieht mich Bertram an sich und küsst mich sanft und fordernd zugleich. Ein bisschen fühle ich mich überrumpelt wie bei einem Verkehrsunfall – nur das Kribbeln, das durch meinen Körper läuft, ist millionenfach schöner. Minutenlang küssen wir uns, bis mir ein absurder Gedanke kommt.
«Bin ich nicht zu alt für dich?»
Provozierend stellt Bertram die Gegenfrage. «Bin ich nicht zu jung für dich? Ach, Eve, du bist doch meine Seelenverwandte, mein verführerisches
Callgirl.
Und wie heißt es in der Widmung unseres Kochbuchs:
Wenn man mit einem Mann genauso gerne am Herd steht, wie man mit ihm ins Bett geht, muss es Liebe sein!»
Mit diesen Worten strubbelt Bertram durch mein Haar und will mich gerade erneut küssen, als es plötzlich an der Tür poltert und überdrehte Mamilein-Rufe zu hören sind.
Ich löse mich schnell aus Bertrams Armen und erblicke kurz darauf überrascht aber glücklich meine geliebten Jungs. Ursprünglich wollten die beiden nämlich erst am späten Nachmittag eintreffen.
«Wir haben einen früheren Flug genommen, denn wir brauchen Tageslicht, um das Geschenk für Paps zu besorgen», erklären sie einstimmig, als sie meinen fragenden Blick sehen.
«Ach, und was ist das Geheimnisvolles?»
«Seine Schaufeln! Wir werden ihm seine Schaufeln aus dem Wasser holen, die du in den Eisbach geworfen hast. Die großen Wände in seinem Loft sollen nicht mehr so kahl aussehen.»
«Oh, darf ich helfen?», höre ich Bertram belustigt fragen.
Noch etwas unsicher stelle ich die drei einander vor. Jens und Timo begrüßen Bertram, den sie nur aus meinen Erzählungen kennen, mit jugendlicher Ungezwungenheit. Erleichtert stehe ich daneben und beobachte vergnügt, wie sie sich die Hände schütteln und sofort miteinander plaudern, als wäre es völlig normal, einen Mann bei mir anzutreffen, der nicht ihr Vater ist.
Während meine drei Männer in den verschneiten Garten verschwinden, probiere ich das Mitbringsel meiner Söhne an: ein pflaumenblaues Pailletten-Jackett und eine gleichfarbene Satinhose im Marlene-Stil aus ihrer Kollektion.
Als es langsam dämmert, trudeln nach und nach die Gäste ein. Valeska, das berühmt gewordene «Callgirl», taucht als Erstes auf. Ja, Ulla hat den Job übernommen und sich in sämtlichen Talkshows, unzähligen Interviews und beinahe allen Radiosendungen als kochende Femme fatale präsentiert. Es gab schließlich keinen Henry und auch sonst keinen Hindernisgrund mehr.
Unser Werk steht seit zwei Wochen sogar auf den Bestsellerlisten. Die Medien sind vollkommen verrückt nach Ulla. Sie sieht aber auch immer zum Anbeißen aus! Genau wie heute, in ihrem tief ausgeschnittenen grünen Seidensamtkleid. Es spannt etwas in der Taille. Sie ist nämlich im vierten Monat schwanger. Begleitet wird sie von Wolf, dem Vater des Kindes. Er ist der Notarzt, der meinem Ex-Mann seinerzeit den Angstschweiß von der Stirn gewischt hat. So war Konrads vorgetäuschter Herzinfarkt doch nicht vergebens.
Als Nächstes treffen Alma und Arwed ein. Alma hat sich überraschend als zuverlässige Freundin entpuppt, die mich für meine Kühnheit bewundert und es schade findet, dass sie definitiv zu alt für solche Eskapaden sei. Aber sie ist noch fit genug, um mit mir auf Shoppingtour zu gehen. Seit einem halben Jahr engagieren wir uns auch gemeinsam in einem Tierschutzprojekt für ausgesetzte
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