Katzen jagen nachts
1
Bertha Cool wuchtete ihre anderthalb Zentner Lebendgewicht aus dem Drehstuhl, stampfte um ihren Schreibtisch herum und riß die Tür zum Vorzimmer auf.
Sofort füllte das Geklapper von Elsie Brands Schreibmaschine den Raum.
Es steigerte sich zum Trommelfeuer. Hochachtungsvoll — Punkt — Schluß. Elsie Brand zog den Bogen aus der Maschine, legte ihn zur Seite, langte nach einem Briefumschlag und spannte ihn ein. In diesem Augenblick erst sah sie Bertha Cool, die auf der Schwelle stand.
»Wünschen Sie etwas, Mrs. Cool?«
»Was tippst du da?«
»Die Briefe an die Anwälte.«
»Laß es sein!«
»Aber — ich habe gedacht...«
»Ich weiß«, meinte Bertha Cool resigniert. »Ich hab’ mir gedacht, es könnte nicht schaden, wenn wir ein Werbeschreiben an alle Anwälte loslassen, die hauptsächlich Fälle von Körperverletzung bearbeiten. Manchmal brauchen die eine tüchtige Detektei, um fehlende Zeugen aufzutreiben oder so... Wir könnten ihnen für diese Fälle unsere Dienste anbieten.«
»Ich finde den Gedanken ausgezeichnet«, gab Elsie zurück. »Sie haben dadurch die Möglichkeit, ein paar finanzkräftige Klienten zu angeln.«
»Das ist es ja eben«, unterbrach Bertha. »Die finanzkräftigen Klienten stehen mir bis hier. Nicht ihr Geld«, fügte sie hastig hinzu. »Aber die Arbeit, die Aufregung. Damit werde ich mich nie anfreunden. Und am Ende des Jahres knöpft mir der Staat die Hälfte von meinem Einkommen ab. Aber wer senkt meinen Blutdruck um fünfzig Prozent? Kein Mensch! Nee, jetzt, wo Donald auf Urlaub ist, gebe ich endlich mal wieder den Ton an.«
Bertha funkelte Elsie Brand kampflustig an, offensichtlich auf eine streitbare Erwiderung gefaßt.
Elsie Brand öffnete stumm ein Schreibtischfach, ließ die Liste mit den Namen der Anwälte, die Bertha aus den Gerichtsreportagen herausgeschrieben hatte, darin verschwinden und griff sich einen mindestens acht Zentimeter hohen Stapel beschriebener Bogen. »Wollen Sie nicht wenigstens die Briefe abschicken, die ich schon geschrieben habe?«
»Zerreiß sie, und wirf sie in den Papierkorb... Nein, Moment mal — die Episteln haben mich Geld genug gekostet. Briefpapier, Zeit, Abnutzung der Schreibmaschine... Eigentlich nicht einzusehen, weshalb sie nicht abgehen sollten. Bring sie mir zur Unterschrift. Aber dann ist Schluß mit der Aktion.«
Bertha wandte sich um, stiefelte in ihr Büro zurück, ließ ihren gewichtigen Körper wieder auf den Drehstuhl plumpsen und schaffte auf der Schreibunterlage einen kleinen freien Raum zur Unterschrift der Briefe.
Elsie legte Bertha die Unterschriftenmappe vor und blieb neben ihr stehen. Dabei behielt sie aber die offene Tür im Auge; plötzlich sagte sie: »Ein Besucher ist im Vorzimmer.«
»Wie sieht er aus?« fragte Bertha. »Verflixt, jetzt habe ich mich verschrieben. Ich kann eben nicht gleichzeitig reden und arbeiten.«
»Soll ich mal nachsehen, was er will?« fragte Elsie.
»Ja. Und mach die Tür hinter dir zu.«
Bertha krakelte fleißig ihren Namen auf einen Brief nach dem anderen, löschte jedesmal fein säuberlich die Unterschrift ab und warf ab und zu einen erwartungsvollen Blick auf die geschlossene Tür zum Vorzimmer.
Sie war bei den letzten Briefen des Stapels angekommen, als Elsie Brand wieder erschien und sorgfältig die Tür hinter sich schloß.
»Wie heißt er?« fragte Bertha.
»Everett Belder.«
»Was will er?«
»Donald Lam sprechen.«
»Hast du ihm gesagt, daß der in Europa ist?«
»Ja. Ich hab’ ihm auch gesagt, daß Sie Donalds Teilhaberin sind. Ich glaube, er würde auch mit Ihnen sprechen, wenn Sie ihn gleich vorlassen. Aber er ist sehr enttäuscht, daß Donald nicht da ist.«
»Wie sieht er aus?« fragte Bertha noch einmal.
»Etwa fünfunddreißig, groß, hohe Wangenknochen, rötliches Haar. Nette Augen. Er scheint Sorgen zu haben. Von Beruf ist er Verkaufsingenieur.«
»Reich?«
»Mittel. Er trägt einen sehr gut geschnittenen Mantel.«
»Soll hereinkommen«, bestimmte Bertha. »Mal sehen, was er will. Wenn er mit Lam befreundet ist, wird er wohl ein übler Spielertyp sein. Vielleicht... Was stehst du noch da und starrst mich an wie Lots Weib?«
»Ich wollte Sie nicht unterbrechen.«
»Brich dir nur keine Verzierungen ab. Wenn im Vorzimmer ein potentieller Klient wartet, der aussieht, als ob er Geld hat, ist solche Rücksichtnahme absolut überflüssig. Laß ihn herein.«
Elsie öffnete die Tür. »Mrs. Cool, die Seniorchefin, ist jetzt für einige Minuten frei.
Weitere Kostenlose Bücher